Kommentar Irans Doppelstrategie: Laridschanis Dilemma
Der Iran setzt auf eine Doppelstrategie. Nach außen wird weiterhin gegen die USA getreten. Doch hinter den Kulissen wird im Geheimen verhandelt
W as waren das doch bislang für schöne Zeiten, wird sich Irans Parlamentspräsident Ali Laridschani bei der Münchener Sicherheitskonferenz gedacht haben. Die Rhetorik der Bush-Regierung von der "Achse des Bösen", von "Kreuzzug" und "Schurkenstaat", ihre Kriege gegen Afghanistan und Irak sowie die israelischen Angriffe im Libanon und im Gazastreifen - all das lieferte dem Regime in Teheran eine Steilvorlage, sich als Wortführer der islamischen Welt zu präsentieren. Tatsächlich gelang es der Islamischen Republik so, ihren Einfluss in der Region auszubauen.
Aber nun scheint sich unter Obama das Blatt zu wenden. Statt Attacken und Drohungen kommt aus Washington jetzt die Aufforderung, die Fäuste zu öffnen. Aber würde die iranische Staatsführung dies tun, stünde sie mit leeren Händen da. Außer einer katastrophalen Wirtschaft und einem unzufriedenen Volk, dessen Menschenrechte permanent mit Füßen getreten werden, hat das Regime schließlich kaum etwas vorzuweisen.
Für das Regime in Teheran, das seine Legitimität aus permanenten Krisen und Eskalationen bezieht, wäre eine Friedensofferte wie Gift. Was sollten die Radikalen tun, wenn die Botschaft aus Washington tatsächlich ernst gemeint sein sollte? Sollen sie den Amerikanern die Hand reichen und damit eigene Anhänger, deren Emotionen sie permanent gegen den "großen Satan USA" geschürt haben, verprellen? Oder die ausgestreckte Hand zurückschlagen und damit international die völlige Isolation des Landes riskieren?
Offenbar sieht die iranische Staatsführung den Ausweg aus diesem Dilemma in einer Doppelstrategie: nach außen die Attacken fortsetzen, um hinter den Kulissen geheime Verhandlungen zu führen. Es ist bereits durchgesickert, dass nach der Wahl Obamas inoffiziell direkte Gespräche zwischen Teheran und Washington aufgenommen wurden. Sollte es den Radikalen gelingen, ohne Gesichtsverlust zu einer Vereinbarung mit den USA zu kommen, wäre ihnen der Sieg bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im Juni so gut wie sicher. Nur für die Iraner wäre es fatal, wenn Washingtons neuer Kurs die Macht der Radikalen im Iran sichern würde.
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