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Kommentar InternetsperrenWiderstand war zweckvoll

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die Kritiker haben mit ihrem Protest immerhin erreicht, dass zahlreiche Schlupflöcher in dem umstrittenen Gesetz für Internetsperren geschlossen wurden.

D ie Kritiker haben mehr erreicht, als zu erwarten war. Am Donnerstag wurden im Bundestag die umstrittenen Internetsperren für Kinderporno-Seiten beschlossen. Nach dem vehementen Protest der letzten Wochen dürfte daraus aber kein allgemeines Zensurinstrument werden.

Bild: taz

Christian Rath ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.

Internetsperren können in der jetzt beschlossenen Form kaum für andere Zwecke missbraucht werden. Ein unabhängiges Kontrollgremium wird einschreiten, wenn das BKA andere Inhalte als Kinderpornografie auf die Sperrliste setzt. Betroffene Webseiten-Betreiber werden klagen, wenn legale Angebote gesperrt und interessierte Surfer auf eine Stoppseite umgeleitet werden. Außerdem enthält das jetzt beschlossene Gesetz ein ausdrückliches Verbot, die Sperrtechnik für zivilrechtliche Ansprüche, etwa von Musik- und Filmindustrie, einzusetzen. Dank der massiven Kritik wurden also viele Schlupflöcher gestopft.

Natürlich kann das Gesetz in einigen Jahren verschärft werden. Aber ist das wahrscheinlich? In Skandinavien gibt es seit längerem Kinderporno-Sperrlisten, die nicht auf andere Themen ausgeweitet wurden. Es gibt also keinen Automatismus. Der Damm ist auch in Deutschland nicht gebrochen. Er wurde nur an einer anderen Stelle neu aufgebaut. Ein Dammbruch sollte deshalb nicht herbeigeredet werden.

Die letzten Wochen haben vielmehr gezeigt, dass die Einführung von Internetsperren kein Thema für leichte populistische Siege ist - nicht einmal wenn es gegen Kinderpornografie geht. Ein lehrreiches Exempel. Der Widerstand dürfte noch viel breiter ausfallen, sollte versucht werden, verbotene Politseiten oder illegale Musiktauschbörsen zu sperren.

Dagegen muss in drei Jahren entschieden werden, ob das Sperrgesetz überhaupt weitergelten soll. Wenn es nichts gebracht hat, sollte es einfach wieder gestrichen werden.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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5 Kommentare

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  • J
    Julian

    BILD und CDU sind gemeint. Die Krogmann von der CDU ist mit dem stellvertretenden Chefredakteur verheiratet.

     

    Was für Änderungen gab es? Im wesentlichen: Das BKA darf nur Seiten auf die Sperrliste setzen, deren Löschung "nicht in angemessener Zeit erfolgversprechend" ist. Man achte auf die Formulierung. Wer entscheidet, ob die Zeit angemessen ist und ob die Löschung erfolgversprechend ist? Dieselben Leute, die das Sperren durchführen.

     

    Zweitens: Die Herumwindung um die richterliche Kontrolle spricht Bände. Eigentlich müsste jede Sperrung durch einen Richter genehmigt werden. Man muss sich mal fragen, warum nicht. Wie wird stattdessen kontrolliert? Alle 3 Monate kommen 5 Hansel zur Stichprobenkontrolle vorbei. Und was dann? Diese soll der Datenschutz beauftragte nominieren, der sich aber zurecht weigert, da es nicht seine Aufgabe ist.

     

    Wie man bei dieser Augenwischerei von einem Erfolg für die Sperrgegner sprechen kann ist mir rätselhaft.

  • J
    Julian

    "medial unerwünscht" = die SPD hat Bammel vor (noch mehr) negativen Schlagzeilen in der BILD. Die stecken ja sogar buchstäblich unter einer Decke. In was für einer Bananenrepublik leben wir eigentlich?

  • F
    frob

    Die Änderungen waren mehr als nur kosmetisch. Freilich wird auch so aus einem Hundehaufen kein Stück Schokolade.

     

    Was bleibt, ist die Erfahrung, dass die SPD sich wieder einmal -- von fachkundigen Einwänden technischer, kriminologischer und verfassungsrechtlicher Art unberührt -- von der Union am Nasenring durch ein innenpolitisches Thema hat ziehen lassen. Eine innerparteiliche Diskussion darüber war "medial unerwünscht".

     

    Wie groß wird ihr Widerstand gegen allfällige Forderungen nach Erweiterung, Verlängerung, Speicherung der DNS-Anfragen etc. wohl sein?

  • J
    Julian

    Nein, Herr Rath Sie irren schon wieder.

     

    Sie feiern ein paar kosmetische Alibi-Änderungen an einem immer noch überflüssigen, verfassungsfeindlichen und scheinheiligen Gesetz, das IN GAR KEINER FORM hätte Zustande kommen dürfen als Erfolg der Gegner?

     

    Gucken Sie sich noch einmal die Debatte an, die Beiträge der Opposition und von Herrn Tauss fassen alle Argumente gegen diesen Wahnsinn gut zusammen. Die Koalition dagegen lügt dass sich die Balken biegen und gibt sich weiterhin beratungsresistent.

     

    Und wo bleibt eigentlich der Aufschrei der Medien über diese Sauerei? Was ist aus der TAZ geworden?

  • W
    willy

    Wieder mal ein typischer Kommentar von Ch. Rath. Alles nicht so schlimm! Sind Sie wirklich so naiv?

    "Internetsperren können in der jetzt beschlossenen Form kaum für andere Zwecke missbraucht werden."

    Guckst Du hier:

    http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/27/0,3672,7596187,00.html