Kommentar Insolvenz bei der Gorch Fock: System der Verantwortungslosigkeit
Von der Leyen war angetreten, die Beschaffungsprobleme bei der Bundeswehr zu lösen. Die Pleite bei Gorch Fock entblößt jetzt ein versagendes System.
W as genau bei der Sanierung der Gorch Fock alles schief gelaufen ist, müssen Bundestag, Rechnungshof und Staatsanwaltschaft erst noch klären. Dass etwas gehörig schief gelaufen ist, steht aber schon mal fest: Die Kosten sind von ursprünglich 9,6 Millionen Euro auf bis zu 135 Millionen oder sogar mehr gestiegen. Ein Teil des Geldes ist in der mittlerweile insolventen Werft versickert, es laufen Ermittlungen wegen Untreue und Korruption.
Und ob das in Einzelteile zerlegte Schiff jemals wieder fahren wird, weiß heute kein Mensch. Der Bundestag stellt zurecht Fragen nach der Verantwortung – und damit kommt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen so langsam in richtige Schwierigkeiten.
Schon vor ihrer Amtszeit hatte die Bundeswehr Probleme mit Beschaffungsmaßnahmen und deren Kosten. Die CDU-Politikerin war mit dem Ziel angetreten, sie zu lösen. Ihr Ansatz, dafür externe BeraterInnen einzukaufen, ist bisher aber nicht aufgegangen. Im Gegenteil: Consulting-Aufträge wurden offenbar falsch abgerechnet, Verträge entgegen der Richtlinien freihändig vergeben, persönliche Bekannte von EntscheidungsträgerInnen im Ministerium mutmaßlich begünstigt. Zurecht hat von der Leyen wegen dieser Vorgänge inzwischen ihren ersten Untersuchungsausschuss am Hals.
Die Gorch Fock hat mit den Beratern direkt nichts zu tun. Aber auch sie steht für die Mängel im Beschaffungswesen – und hier hat die Ministerin persönlich eine Mitverantwortung: Als die Sanierungsprobleme intern schon offensichtlich waren und sich die Kosten vervielfacht hatten, erteilte sie selbst die Genehmigung, weiterzumachen.
Für Hans-Peter Bartels (SPD), den Wehrbeauftragten des Bundestags, steht dahinter ein grundsätzliches Problem. Das Beispiel Gorch Fock zeige „paradigmatisch die Diffusion von Verantwortung in einer zersplitterten Zuständigkeitskultur“ in Bundeswehr und Ministerium, schrieb er vor wenigen Wochen in seinem Jahresbericht. Dieses System der Verantwortungslosigkeit hat von der Leyen sicher nicht geschaffen. Auflösen wird sie es aber wahrscheinlich auch nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen