Kommentar Hugo Chávez: Das Dilemma des Personenkults
Der Personenenkult um Chávez allein ist Schuld an der politischen Krise in Venezuela. Und nur er selbst kann das Dilemma beenden, das das Land derzeit lähmt.
E s ist eine hausgemachte politische Krise, in die Venezuela gerade hineinrutscht. Die Regierung, derzeit de facto repräsentiert von Vizepräsident Nicolas Maduro und Parlamentspräsident Diosdado Cabello, steckt in einem nicht auflösbaren Dilemma.
Im Oktober wurde Hugo Chávez mit 54 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Aber statt am Donnerstag vor der Nationalversammlung erneut den Amtseid abzulegen, liegt er krank in Kuba. Sehr krank.
Wenn Maduro und Cabello jetzt in demonstrativer Einigkeit erklären, Chávez sei ja schon Präsident, das Ablegen des Amtseids zum in der Verfassung vorgesehenen Zeitpunkt insofern nicht so wichtig, begeben sie sich auf juristisch sehr dünnes Eis und stellen mit der Verfassung immerhin die Grundlage der „bolivarianischen Revolution“ infrage.
ist Redakteur im Auslandsressort der taz und zuständig für die Amerika-Berichterstattung.
Würden sie sich allerdings jener Verfassungsinterpretation anschließen, nach der Chávez, kann er sein Amt nicht pünktlich antreten, auch nicht mehr Präsident ist, würde ihnen das in den eigenen Reihen als Verrat ausgelegt werden.
Lösen könnte all das: Hugo Chávez. Würde sich der Präsident per Videobotschaft an sein Volk wenden und erklären, dass er zwar hoffe, in der Zukunft wieder dem Land dienen zu können, derzeit aber dafür zu krank sei, wäre die Krise gelöst. Mit seinem Tod zynischerweise auch.
Der Chavismus würde mit Maduro an der Spitze Neuwahlen haushoch gewinnen. Ohne Chávez’ Segen aber kann niemand von der regierenden PSUV den charismatischen Führer abschreiben. Liegt Chávez weiter in Kuba und sagt nichts, bleibt das Dilemma.
All das ist Ergebnis des Personenkults. Die Orientierung auf einen messianischen Führer funktioniert, solange er quicklebendig ist. Er kann auch klappen, wenn er tot ist. Alles dazwischen führt in die Krise – es sei denn, man ist Papst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“