Kommentar Honduras: Es fehlt der Wille
Die deutliche Reaktion des Westens auf den Putsch in Honduras täuscht: Die Verurteilung beschränkt sich auf bloße Worte. Doch das hilft nicht weiter - und verharmlost die Ereignisse im Land.
Gerhard Dilger ist taz-Korrespondent für Südamerika. Er lebt und arbeitet im brasilianischen Porto Alegre.
Eine Woche nach dem Staatsstreich in Honduras hat sich die Lage verschärft. Mit dem Foto des toten Isis Obed Murillo ist die Repression weltweit sichtbar geworden. Wie viele Tote sind nötig, bis die USA und die Europäische Union ihren Druck auf das Putschistenregime erhöhen, aber auch die katholische Kirche? Nur so kann dem anachronistischen Spuk in Zentralamerika ein rasches Ende bereitet werden.
Es stimmt, auf der verbalen Ebene hat der Westen, allen voran US-Präsident Obama, schnell und vergleichsweise deutlich regiert. Die Organisation Amerikanischer Staaten setzte sogar zum ersten Mal in ihrer Geschichte wegen eines Putsches die Mitgliedschaft eines Landes aus. Doch hinter den Kulissen wurde laviert.
Gesten - wie der Rückruf von Botschaftern - reichen nicht: Gefragt sind Taten. Von den USA ist Honduras kaum weniger abhängig als zur klassischen Zeit der Bananenrepubliken vor 100 Jahren. Washington hätte die Putschisten schon letzte Woche zum Einlenken bringen können. Allein, es fehlte der Wille. In Brüssel will die EU ihre Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen mit Zentralamerika fortsetzen. Der Putsch hat diesen Zeitplan durchkreuzt, aber kaum das strategische Ziel der EU-Kommission.
In manchen Medien wird die Version verbreitet, der eigentliche Verantwortliche für den Putsch sei Präsident Manuel Zelaya - eine Position, die etwa der renommierte Kardinal Óscar Andrés Rodríguez Maradiaga einnimmt. In dieser Logik ist der abgesetzte Staatschef für das Blutvergießen verantwortlich, nicht die extreme Rechte von Honduras.
In Deutschland verharmloste FDP-Außenpolitiker Werner Hoyer den Staatsstreich als "ziemlich tollpatschigen Versuch der Lösung einer Verfassungskrise", der örtliche Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung sekundierte. Leider haben Scharfmacher dieses Kalibers bislang ihr Ziel erreicht.
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