Kommentar Homosexualität in der ev. Kirche: Vergebliche Liebesmüh
Gut wäre, wenn erfahrene Kirchengänger jetzt sagen: Lieber ein aufrechter Homo als Pastor als ein heuchelnder Hetero.
E ine Rebellion im Ruhestand - so könnte man den Protest einiger evangelischen Altbischöfe abtun, die um ihre Kirche fürchten. Sie lehnen das neue, liberale Dienstrecht ihrer Kirche ab, dass es PfarrerInnen erlauben würde, mit ihren gleichgeschlechtlichen Partnern offen das Pastorenhaus zu teilen.
Falsch wäre jedoch, ihren Appell als abstrus abzutun. Denn er benennt echte Probleme. Nicht allein, dass sie die Idee der Gleichrangigkeit von Hetero- und Homosexualität kritisieren: Ihr Murren wird doch von vielen Gläubigen geteilt - und beileibe nicht nur von Evangelikalen, den Lordsiegelbewahrern einer steifen, bibelwörtlichen Theologie. Homosexualität gilt ihnen nach wie vor als Sonderfall des Menschlichen, nicht als andere Normalität.
Als wahrhaftig darf auch die Sorge dieser Altbischöfe genommen werden, dass eine liberale Auslegung der Nächstenliebe den ökumenischen Dialog mit katholischen und muslimischen Klerikern heftig beschweren würde. Denn es stimmt ja: Mit dem Vatikan wie mit den Vertretern des Islam ist in Sachen Homosexualität nicht zu spaßen, die Ökumene mit ihnen ist fundamental belastet.
JAN FEDDERSEN ist taz-Redakteur für be sondere Aufgaben.
Aber wen interessiert das, wenn es im wahren Leben um die Besetzung der Pfarrhäuser geht? Und wenn Christen die Erfahrung machen, dass schwule oder lesbische Paare ebenso gute Seelsorge leisten können wie heterosexuelle?
Gut wäre, wenn erfahrene Kirchengänger jetzt sagen: Lieber ein aufrechter Homo als Pastor als ein heuchelnder Hetero. Der Aufschrei der Bischöfe geht aus diesem Grund ins Leere: Eine Kirche in der Nachfolge Martin Luthers, die Heterosexuelle favorisiert und Homosexuelle abwertet, wird es nicht geben - es wäre, nebenbei, theologisch ein unbegründbares Anliegen, also ein Desaster.
Aber werfen wir eine respektvollen Blick auf diese vergebliche Geste. Diese Bischöfe werden ihrer Kirche keine Renaissance des Reaktionären verpassen. Sie haben den Kontakt zu den Gemeinde offenbar verloren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl