Kommentar Homoehe: Entscheidung ohne Mumm
Wenn es um Gleichheit und Gleichberechtigung geht, darf es keine kulturell begründeten Ausnahmen geben. Genau dem widerspricht leider das Urteil des Europäischen Gerichtshofes.
D er Fall spielt in Österreich, ist aber auch für deutsche Homopaare relevant. Die Wiener Stadtverwaltung hatte zwei Männern – der eine 48, der andere 50 Jahre alt – 2002 eine Heiratsgenehmigung verweigert. Homosexuelle haben kein Recht auf Eheschließung, entschied jetzt auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Wer gehofft hatte, die Gleichstellung mit der Ehe via Straßburg und unter Berufung auf die Europäische Menschenrechtskonvention durchzusetzen, muss diese Hoffnung vorerst abhaken.
Auf den ersten Blick klingt das Straßburger Urteil ausgewogen. Die europäischen Staaten können die Ehe für Homosexuelle öffnen, sie müssen es aber nicht. Es gebe in dieser Frage keinen europäischen Konsens. Jeder Staat müsse diese Frage selbst entscheiden, unter Berücksichtigung der jeweiligen sozialen und kulturellen Diskurse.
Damit vermeidet der Gerichtshof sicher viel Ärger, überzeugen kann diese Zurückhaltung aber kaum. Der Hinweis auf kulturelle Unterschiede mag bei bioethischen Fragen Sinn machen, etwa bei Sterbehilfe und bei künstlicher Befruchtung.
Christian Rath ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.
Wenn es aber um die Gleichheit und Gleichbehandlung der Bürger geht, kann es keine kulturell begründeten Ausnahmen geben. Was gegenüber Staaten wie China und Saudi-Arabien immer wieder betont wird, muss auch in Europa gelten: Menschenrechte sind universell.
Offensichtlich hatte der Gerichtshof für Menschenrechte keinen Mumm, eine Leitentscheidung zur Gleichbehandlung von Homopartnerschaften zu treffen. Dabei mag eine Rolle gespielt haben, dass die meisten europäischen Staaten bisher keine Gleichsetzung vorsehen.
Doch das ist eine rein quantitative Sichtweise. In zehn Jahren, das kann man wohl prognostizieren, wird dies auch anders aussehen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kann diesen Wertewandel dann nachvollziehen, befördert hat er ihn nicht.
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