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Kommentar Hessen-WahlMänner von gestern

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Roland Kochs Angkampagne hat bei denen nicht gefruchtet, auf die sie abgezielt war: den Rentern. Und seine Niederlage trifft auch die Medien, die sich hinter ihn stellten.

Bild: taz

Daniel Bax ist Meinungsredakteur der taz.

Sage niemand etwas gegen die deutschen Rentner. Selbst die Senioren, sonst eine feste Stammwähler-Klientel der CDU, vermochte Roland Koch mit seiner Angstkampagne um jugendliche Gewalttäter nicht so recht hinter sich zu bringen. Und das, obwohl er sich mit den Videobildern aus der Münchner U-Bahn auf ein drastisches Beispiel stützen konnte, bei dem ein Rentner das Opfer war.

Kochs Niederlage ist nicht nur eine Warnung an seine Partei, künftig von solchen schmutzigen Kampagnen zu lassen. Sie trifft auch jene Medien, die seinen Wahlkampf mit publizistischem Tamtam unterstützt haben. Vor allem die Bild-Zeitung hat das Thema "kriminelle Ausländer" in den letzten Wochen ganz oben auf ihre Agenda gesetzt. Nun müssen Bild-Chef Kai Diekmann und seine Bluthunde einsehen, dass ihr Einsatz nichts genützt hat. Ein Dämpfer ist das Ergebnis aber auch für FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher. Der hatte versucht, der Debatte um Jugendgewalt einen religiösen Dreh zu geben, indem er sie zu einem spezifisch muslimischen Problem erklärte.

In beiden Blättern herrscht heute Katzenjammer darüber, dass Koch so abgestraft wurde, gilt er doch als letzte "Gallionsfigur eines wertegebundenen Konservatismus" (FAZ). Bild stilisiert ihn gar zum letzten aufrechten Sheriff, der nun geschlagen in Richtung Sonnenuntergang reitet. Doch die Sehnsucht zu stillen nach einem Law-and-Order-Mann, der es wagt, offen mit rassistischen Ressentiments zu spielen - das überlässt man besser solchen Populisten wie Ronald Schill. Dies ist die Lehre, die die CDU aus der Hessen-Wahl ziehen muss, will sie Volkspartei bleiben. Aber auch Schill gilt nicht von ungefähr als Mann von gestern.

Für Frankfurter Allgemeine Zeitung und Bild dagegen gilt: Mit Krawall-Publizistik lässt sich zwar kurzfristig Aufsehen erregen. Langfristig aber schadet sie dem eigenen Ruf. Davor, dass Schirrmachers Panikmache ihr seriöses Publikum verschreckt, muss sich die FAZ fürchten. Und auch Bild kann nicht daran gelegen sein, dass etwa türkischstämmige Leser die Finger von dem Blatt lassen, will sie ihre Auflage halten.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”

3 Kommentare

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  • EY
    Enter your name here

    Die Stimme der schweigende Mehrheit wollte man sein. Dabei lief man nur ein par angry white male aus dem Internet hinterher. Verzockt.

  • L
    Liberaler

    Es ist falsch, die FAZ in einem solchen Maße zu diskreditieren. Kaum eine Zeitung hat ausgewogener, intensiver und reflektierter über die Wahl in Hessen geschrieben als dieses Blatt.

    Wer den Artikel Schirrmachers gelesen hat, wird bemerkt haben, dass es ihm nicht darum gegangen ist "der Debatte einen religiösen Dreh zu geben", sondern diese in einem sachlichen und den Tatsachem entsprechenden Beitrag dem Leser in ihrer gesamten Tragweite näherzubringen.

  • ER
    Eberhard Ruoff

    Danke für die klaren Worte. Ich hätte mir so etwas schon früher gewünscht. Es muss deutlicher werden wer hinter diesem "liberalen" Bildungsbürgertum steckt."