Kommentar Hessen-Wahl: Die fünfte Kraft

Die Dämonisierung der Linkspartei hat sich als wirkungslos erwiesen. Sie steht immer mehr für den sozialen Ausgleich. Die Wahl zeigt: Ihre Themen sind im Westen angekommen.

Nicht der Einzug der Linken in die Landesparlamente von Hessen und Niedersachsen überrascht. Merkwürdig ist eher, dass sich so viele über diesen Erfolg wundern. Das Erstaunen mag darin begründet liegen, dass die kleine Truppe gerne zu einer Politsekte erklärt wird, mit Lafontaine und Gysi als eine Art Oberscientologen an der Spitze.

Die Aggression, die der Linken von ihren Gegnern entgegenschlägt, sucht ihresgleichen. Doch die Dämonisierung der Linkspartei hat sich als wirkungslos erwiesen. In Zukunft wird es wenig nützen, die Linke als Partei der "Modernisierungsverlierer" zu denunzieren oder sie als "Protestpartei" auf eine Stufe mit der NPD zu stellen. Das sind nur Versuche, ihr einen politischen Kern abzusprechen, der den Gegnern gefährlich werden könnte.

Der Hass der SPD ist nur allzu verständlich. Schließlich weist die Linke gerne auf die politischen Leichen im Keller der SPD hin. Mit Hartz IV hat sie dabei ein leichtes Spiel, denn Schröders und Clements zynische Politik hat das Gerechtigkeitsempfinden vieler verletzt. Statt der Arbeitslosigkeit wurden die Arbeitslosen bekämpft, die Versprechungen dagegen nicht eingelöst. Je weiter die Umverteilungspolitik von unten nach oben voranschreitet, desto mehr steht die Linke für ein gesellschaftliches Modell, dass die Bundesrepublik einst zu dem gemacht hat, was sie lange war: ein Land des sozialen Ausgleichs und der Teilhabe für alle. Ein Land der fairen Chancen und der Bürgerrechte. Ein Land, in dem nicht der Reichtum der Eltern über die Bildungs- und Lebenschancen der Jungen entscheidet. Die SPD hat diesen Ruf verspielt.

Natürlich kann eine kleine Partei nicht alleine ihre Ziele verwirklichen. Doch jenseits aller stalinistischen SED-Kader und politischen Wirrköpfe, die es in der Linken zweifellos gibt: Ihr Erfolg zeigt, dass ihre Themen jetzt auch in Westdeutschland angekommen sind.

Wie schon bei der letzten Bundestagswahl gibt es in Hessen nun eine Mehrheit links von der Mitte. Leider herrscht in der deutschen Politik eine lang gepflegte Tradition, den Wählerwillen zu ignorieren. Die SPD sollte in Hessen damit brechen und sich von der Linkspartei zumindest tolerieren lassen. TARIK AHMIA

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