piwik no script img

Kommentar HeroinersatzGebt das künstliche Heroin frei

Wolf Schmidt
Kommentar von Wolf Schmidt

Die Unionsfraktion sträubt sich gegen die Zulassung von künstlichem Heroin - weil sie mit Junkies keine Wählerstimmen bekommen.

D er Staat dürfe sich nicht zum Dealer machen, es käme ja auch niemand auf die Idee, einem Alkoholiker täglich eine Flasche Schnaps in die Hand zu drücken. Mit solchen populistischen Argumenten blockiert die Unionsfraktion im Bundestag schon seit Monaten die Zulassung künstlichen Heroins als Medikament. Diamorphin heißt die Substanz in der Fachsprache, Schwerstabhängige injizieren sie sich streng kontrolliert mehrmals täglich selbst. Spritzen unter Aufsicht, und der Staat gibt den Stoff? Für die Union ist das offenbar eine unerträgliche Vorstellung.

Bild: privat

Wolf Schmidt, geb. 1979, ist Redakteur im Inlands-Ressort der taz.

Die Blockade der Christdemokraten und Christsozialen ist jedoch rein ideologisch. Experten sind überzeugt, dass die Behandlung mit Diamorphin für eine kleine Gruppe von Schwerstabhängigen die einzige ist, die noch Hoffnung verspricht. In sieben deutschen Modellstädten hat sie sich als Erfolg erwiesen. Die Abhängigen, die jahrelang im Sumpf der Drogenszene steckten und bei denen alle sonstigen Therapien mit Ersatzstoffen wie Methadon scheiterten, finden einen Weg zurück in ein halbwegs normales Leben. Die Alternative für diese kleine Gruppe von Süchtigen lautet: dreckiges Heroin von der Straße oder Diamorphin vom Staat. Und das bedeutet: Abstieg in die Kriminalität oder Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Und manchmal ganz einfach nur: Tod oder Leben.

13 von 16 Bundesländern haben deshalb schon im Herbst 2007 eine Zulassung von Diamorphin als Medikament gefordert - die Voraussetzung für eine bundesweite Versorgung von Schwerstabhängigen mit dem künstlichen Heroin. Und obwohl unter diesen Bundesländern mehrere unionsregierte sind, kann sich die Unionsfraktion im Bundestag nicht zu einer Zustimmung durchringen - mit dem fadenscheinigen Argument, es bedürfe erst weiterer Studien.

Aus Unionssicht ist das Kalkül klar: Mit Junkies lassen sich keine Wählerstimmen gewinnen. Mit einer harten Haltung gegen das angebliche "Heroin auf Krankenschein" dagegen schon eher. Eine zynische Haltung, die das Leben von Suchtkranken aufs Spiel setzt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Wolf Schmidt
Inlandsredakteur (ehem.)
Jahrgang 1979. War bis 2013 in der taz zuständig für die Themen Rechtsextremismus, Terrorismus, Sicherheit und Datenschutz. Wechsel dann ins Investigativressort der Wochenzeitung „Die Zeit“.
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • J
    jenne2168

    meiner meinung nach hat man mit metha,das erst beste und billigstest substitut auf den markt gebracht,das aus den 40er jahre stammt.

    wir junkies konnten jubeln,denn wär hätte das mitte der 80jahre gedacht.

    trotzallem halte ich methadon für ein sehr schlechtes substitut,mit viel zu vielen nebenwirkungen.

    das schlimmste ist das fürchterliche schwitzen,das in den unangenhmsten situationen auftaucht und dann wie in bächen kopf und rücken runterläuft.

    außerdem werden viele vom metha depressiv und letha.rgisch.

    klar einigen mag das programm geholfen haben,nur ich glaube das das methadonprogramm(bis auf beschaffungskrimminalität)voll und ganz versagt hat.

  • BS
    Brown Sugar

    Ich muss zugeben dass ein gewisser Neid in mir hochkommt wenn ich lese wie weit manche Staaten schon sind. Wir Abhaengige in der Türkei haben noch keinerlei Chance auf irgendeine Art der Substitution. Ich selbst bin seit 1979 Heroinabhaengig und würde den Weg aus der Illegalitaet am besten durch Buprenorphin finden aber es bleibt ein Traum weil unsere Politiker noch um ein Vielfaches zurückgebliebener sind als die schwarzen Schafe der CDU/CSU in Deutschland. Ich hoffe für alle Abhaengigen dass die Zulassung von Diamorphin in D bald rechtskraeftig wird und dass der Rest der Welt endlich eine einheitliche Drogenpolitik begrüsst und wir hier auch endlich einen Ausweg aus diesem Leid finden werden.

    Wann werden die Politiker es endlich einsehen dass es die Verbote sind die ausschlaggebend für den momentanen Zustand der gesamten Suchtlage bez. Rauschfördernder Stoffe als treibende Kraft fungieren. Opiate wurden schon seit tausenden von Jahren "missbraucht" (ich nenne es Selbstmedikation), doch das Elend begann erst nachdem auch die Prohibition dieser Stoffe anfing und dadurch eine Riesenrendite für illegale Geschaefte geschaffen wurde.

    Jeder geistig gesunde, entscheidungsfaehige vollfaehrige Mensch sollte das Recht haben selbst zu entscheiden ob er/sie sich mit Wirkstoffen, die die Staaten verbieten um uns vor uns zu schützen, selbst gegen die Auswirkungen der modernen Gesellschaft therapieren möchte oder nicht. Schliesslich ist es unser Leben und wenn wir es damit besser leben können dann sollte uns diese Möglichkeit auch gegeben werden. Anstelle diese Stoffe zu verbieten sollte man mal daran arbeiten dass sich die Pharmariesen nicht an diesen spottbilligen Produkten und am Leid der Abhaengigen eine goldene Nase verdienen.

    Die Methadonlobby ist das beste Beispiel dafür, denn natürliches Morphin eignet sich viel besser zur substitution und kostet einen Bruchteil, doch ideologisch hört sich Methadon medizinischer an dabei agonisieren beide die selben Rezeptoren aber das Volk kennt die medizinischen Hintergründe nicht und denkt das Methadon eine Heilung der Sucht hervorruft, dabei kommt es medizinisch aufs selbe raus ob man nun mit Methadon, Morphin oder Diamorphin substituiert, der grösste Unterschied ist das Empfinden der Abhaengigen und ein Befriedigung ihrer Sucht welche durch Diamorphin bei weitem viel besser kompensiert wird.

    Das Unwissen der Menschen ist die treibende Kraft der Politiker die das schamlos ausnützen und sich hinter angeblichen ideologischen ideen verstecken.

    Und das im 21 JH, immer noch!!!

  • JG
    Jürgen Greine

    Wenn man bedenkt, wie viele Drogenabhängige am dreckigem Straßen-Heroin sterben, so müßte doch jedem Politer klar werden, dass man das Betäubungsmittelgesetz schnellstens ändern muss damit die Menschenwürde auch für diese Randgruppe gewährleistet ist.

  • M
    Maria

    Dank an Wolf schmidt für seinen Kommentar!

    Ich selbst (nichtabhängig) bin der Ansicht, daß man nicht vergessen sollte, daß Heroin einst als Medikament zur Schmerzbekämpfung auf den Markt kam.

    Die Diamorphinvergabe wird für einige Schwerstabhängige lebensrettend sein und manche könnten noch leben, wenn sich die Politiker nicht so lange damit auskäsen würden. Ginge es um ihre eigenen Angehörigen, würde man die Sache sicher im Eiltempo durchwinken.

    Frau Eichhorn ist offensichtlich qualitativ und auch menschlich gesehen stark überfordert, die Dinge richtig einzuschätzen und vergißt die Folgekosten der Verweigerung: Medizinische Behandlung, Haftkosten bei Aufenthalt wegen Beschaffungsdelikten, Kosten für Wiederbeschaffung von Wohnraum, Einrichtung usw... Es ist eben leider so, daß Dilettanten uns regieren! Das können wir -das Volk- aber ändern. Der nächste Wahltag steht vor der Tür!

    Sicher hat Herr Wolf recht, wenn er meint, daß die Gegner der Vergabe in den Ábhängigen wohl kein Wählerpotential sehen. Nur sollten sie in Betracht ziehen, daß auch diese an den Rand der Gesellschaft Gestellten Angehörige und Freunde haben. Und da lohnt es sich für diese inhumanen Verweiger sicher einmal eine Hochrechnung anzustellen und dabei werden sie auf eine Beachtliche Zahl kommen.

    Ansonsten : Für uns ist diese Partei gestorben!

    Janka wünsche ich Glück und Durchhaltevermögen!!!

    Mit Gruß Maria

  • J
    Janka

    Ich als selber seit 20 Jahren Betroffene kann dazu nur sagen, dass ich denke, dass mehr CDU-Kinder süchtig werden müssten, damit endlich gehandelt wird. Frau Eichhorn scheint von der Materie jedoch keinerlei Plan zu haben und sülzt nur Stuß rum. Unglaublich sowas. Sämtliche Parteien und sogar Teile der CDU sind dafür, ich kann einfach nicht verstehen, warum die CDU nach so vielen Test-Jahren immer noch auf weiteren Tests zu bestehen vorgibt. Das ist doch einfach nur noch eine Frechheit. Und abgesehen davon, wer bislang nicht zufällig in einer der 7 Städte lebte, hatte keine Chance daran teilzunehmen. Wieviele Jahre sollen wir denn noch warten? Wer weiß ob wir überhaupt noch so lange leben!!!

  • M
    martin

    Sowenig ich die Ihrer Zeitung eigenen Polemik gegen konservative und freiheitlich denkende Menschen im

    allgemeinen für nachvollziehbar halte, so sehr muss ich Ihnen in diesem Punkt recht geben. heroin vom Staat ist die besser Alternative als jede andere Form der Behandlung für diese Gruppe von Süchtigen, die CDU / CSU fährt hier immer noch die für diese armen Menschen gescheiterte restriktions und kriminaliserungs Strategie

  • TW
    Tino Walser

    Dem Kommentar von Wolf Schmidt kann ich nur zustimmen. Die Einwände der CDU sind teils absurd, teils verlogen und vor allem in der Antidrogen-Ideologie der Vergangenheit verhaftet die einen Grossteil des Schadens angerichtet hat den man heute zu beheben versucht. Frau Eichhorn spricht von der "starken Giftwirkung" des Heroins. Man muss annehmen dass sie auch nach einem weiteren Modellprojekt nicht zur Kenntnis nehmen wird, dass reines Diamorphin sehr gut verträglich ist und z.B. in Grossbritannien seit 80 Jahren erfolgreich in der Schmerztherapie verwendet wird.

     

    Weiter basiert ein Großteil ihrer Argumentation auf den ach so hohen Kosten der Diamorphin-Behandlung. Bei keinem anderen Krankheitsbild käme man in Deutschland auf die Idee ein lebensrettendes Medikament aus Kostengründen zu verweigern. Nur bei Suchtkranken meint die CDU offenbar allen Ernstes, deren Leben sei zu teuer erkauft. Wo man doch mit den vorhanden Maßnahmen schon mehr von diesem Gesocks rettet als einem insgeheim Recht ist...