Kommentar Hasskriminalität und AfD: Das System muss reformiert werden
Auch wegen der AfD sind rassistische Äußerungen mehrheitsfähig geworden. Hasskriminalität wird in Deutschland nicht strukturiert erfasst.
D ie AfD hat in den vergangenen zwei Jahren hartnäckig daran gearbeitet, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben. Dass dürften sogar in der Partei selbst die wenigsten bestreiten. Gezielte Provokation gehört zur AfD-Strategie. Es ist ihr Instrument, um ihre Anhängerschaft zu erweitern und zu mobilisieren. Über mindestens vier Jahre hat die AfD nun eine öffentliche Bühne und gesteigerte Aufmerksamkeit für ihren rassistischen Diskurs. Die Folgen werden besonders diejenigen spüren, die schon jetzt in ihrem Alltag mit Rassismus konfrontiert sind.
In Sachsen, wo die AfD seit 2014 im Landtag sitzt, sieht die Opferberatung RAA Sachsen bereits, wie sich durch AfD und Pegida der öffentliche Diskurs nach rechts verschoben hat. Beleidigungen und Angriffe haben zugenommen, auch weil rassistische Äußerungen mehrheitsfähig geworden sind. Nicht zuletzt haben die Ereignisse in Großbritannien nach dem Brexit-Votum eindrücklich gezeigt: Das Erstarken von Rechtspopulisten und die Verbreitung ihrer rassistischen Aussagen kann zu einem deutlichen Anstieg von Hasskriminalität führen.
Ob Hasskriminalität hierzulande weiter ansteigen wird, wissen wir noch nicht. Wir müssen allerdings in der Lage sein, eine solche Entwicklung mit offiziellen Statistiken nachzuvollziehen. Denn wird Hasskriminalität nicht erfasst, existiert sie auch nicht. Genau das ist in Deutschland das Problem: Rassistisch motivierte Straftaten werden nicht durchgehend strukturiert aufgenommen. Um Klarheit darüber zu haben, wie sich die AfD im Bundestag auf die Sicherheit von Muslimen, Juden, Roma und Sinti, Schwarzen und Migranten auswirkt, müssen die Behörden endlich ihr System zur Erfassung von Hasskriminalität reformieren.
Rassistisch motivierte Straftaten müssen früh als solche erkannt und von anderen Delikten getrennt werden. Wenn rassistischen Aussagen Taten folgen, sind wir in der Pflicht, dies klar zu benennen. Erst wenn wir eine ehrliche Debatte über strukturellen Rassismus führen, macht das Erkennen auch einen Unterschied für die Betroffenen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin