Kommentar Hartz-IV-Schonvermögen: Mit Gefühlspolitik punkten
Union und FDP die Bundestagswahl auch mit dem Versprechen gewonnen, das Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger zu erhöhen - Politik, die sich vornehmlich auf Gefühle stützt.
Union und FDP haben die Bundestagswahl mit einer Reihe wohlklingender Versprechen gewonnen. Dazu gehören die Steuersenkungen, von denen ein großer Teil im Haushaltsloch verschwinden dürfte. Dazu gehört auch die Erhöhung des Schonvermögens für Hartz-IV-Empfänger. Die neue Regierung will den Freibetrag anheben, damit Erwerbslose nicht ihr Rentenkapital aufbrauchen müssen, bevor sie Arbeitslosengeld II erhalten. Diese Absicht macht einen sozialen Eindruck, in der Praxis nützt sie aber kaum jemandem.
Die CDU hat mit Gefühlspolitik gepunktet, die SPD auf diesem Feld dagegen massiv verloren. Wie das funktioniert, kann man am Beispiel des Schonvermögens bestens beobachten. Im ehemals sozialdemokratisch geprägten Nordrhein-Westfalen machen sich CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und sein Arbeitsminister Karl-Josef Laumann das Bedürfnis nach sozialer Wärme zunutze. Viele Menschen haben Angst vor Hartz-IV. An dieser Furcht docken Rüttgers und Laumann an und versprechen, dass die Freigrenze für Altersvorsorgekapital verdreifacht wird.
Hannes Koch ist taz-Autor.
Interessant daran: Das zugrunde liegende Problem existiert nur in den wenigsten Fällen - ganze 0,5 Prozent der Hartz-IV-Anträge werden wegen zu hohen Vermögens abgelehnt. Das sind knapp 25.000 negative Bescheide im Verhältnis zu 5,5 Millionen Anträgen im ersten Dreivierteljahr 2009. Das Union-FDP-Versprechen klingt nach Gerechtigkeit und Leistung-muss-sich-lohnen, auch wenn es kaum etwas bringt.
Gewiss ist es schrecklich, wenn der letzte Rest von Wohlstand und die kleine Sicherheit fürs Alter dahinschmelzen. Das sollte man ändern. Trotzdem zeigen die Ablehnungszahlen: Hartz IV ist nicht so schlecht wie sein Ruf. Auf solche Fakten kommt es bei einer Politik, die sich vornehmlich auf Gefühle stützt, aber nicht an.
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