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Kommentar Hartz-IV-SätzeDer Lohnabstand ist garantiert

Eva Völpel
Kommentar von Eva Völpel

Der Paritätische Wohlfahrtsverband zeigt, dass auch im ungünstigsten Fall der Lohnabstand nicht zu wenig ist. Für die Hartz-IV-Sätze besteht so noch Spielraum nach oben.

D er Paritätische Wohlfahrtsverband liefert mit seiner Expertise, wie groß der Lohnabstand zwischen sogenannten Hartz-IV-Beziehern und Erwerbstätigen eigentlich ist, gute Argumente für eine Versachlichung der Debatte. Denn die insgesamt 196 Beispielrechnungen, in denen - je nach Haushaltslage differenziert - die Einkommensabstände zwischen Beziehern von Arbeitslosengeld II (ALG II) und Arbeitnehmern inklusive Aufstockern und Niedriglohnbeziehern aufgeschlüsselt werden, zeigen eines: Von zu wenig Lohnabstand kann keine Rede sein.

Selbst im ungünstigsten Fall geht hierzulande ein Erwerbstätiger mit 254 Euro mehr Geld nach Hause als ein ALG-II-Bezieher, meistens sind es zwischen 350 und 500 Euro - oder mehr.

Das entlarvt die von der FDP befeuerte Sozialstaatsdiskussion als ideologisch motiviert. Für einen Großteil der ALG-II-Bezieher besteht sehr wohl ein großer Anreiz, Arbeit zu suchen, um wenigstens etwas mehr Geld zu haben. Das gilt selbst für schlecht bezahlte Tätigkeiten, bei denen kein Anspruch auf Aufstockungsleistungen besteht. Ob es diese Arbeitsplätze allerdings auch gibt, steht auf einem anderen Blatt.

Die Zahlen entkräften auch die Behauptung, die Hartz-IV-Regelsätze für Erwachsene könnten nicht erhöht werden, um eben jenen Lohnabstand nicht zu gefährden. Vielmehr wird deutlich: Spielraum nach oben besteht durchaus.

Doch allein das Liefern von verlässlichen Zahlenmaterial bremst weder einen Westerwelle aus noch sorgt es für die Regelsatzerhöhung. Auf die Tagesordnung gehört eine Kritik, die dem Populismus der FDP mit richtigen Fragen konzertiert entgegentritt. Die Akteure der anderen Seite müssen sich endlich verständigen, um die Debatte um die "richtige Arbeit" und nötige Umverteilungen zu führen.

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Eva Völpel
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1976. Ist seit 2009 bei der taz und schreibt über Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie die Gewerkschaften
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5 Kommentare

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  • WL
    Wolfgang Lörcher

    Zuerst einmal muss festgestellt werden, die Löhne, gerade in den untersten Lohngruppen sind eine Sauerei. Diese Löhne haben uns die Agenda 2010 und vor allem Hartz IV eingebracht. Wer noch gute Tariflöhne bekommt, fliegt raus und spätestens als Hartz IV-Empfänger zur Leiharbeit gezwungen oder noch schlimmer, als 1-Euro-Jobber verheizt.

     

    Aber trotz allem, wer arbeitet hat immer mehr, als jemand der nicht arbeitet, zumindest wenn er Hartz IV beantragt. Durch Freibeträge wird sein Gehalt niemals voll angerechnet.

     

    Aber die Diskussionen sind ja gewollt. Guido will die Niedriglöhner gegen die Hartz IV-Empfänger hetzen. Dann denkt niemand mehr darüber nach, wo die Fehler eigentlich liegen.

    Banken bekommen 480 Milliarden (10 Jahre Hartz IV) ohne Bedürftigkeitsprüfung. Beim Abbau der Schulden könnte man die vile mitschuldige an der Finanzkrise ganz einfach beteiligen. Wie wäre es mit einer Börsentransaktionssteuer von 0,05% ? Bei einer Anlage von 40000 Euro müsste man 20.- Euro Steuern zahlen. Diese Steuer brächte ca. 100 Milliarden Euro jährlich, das doppelte was Hartz IV kostet.

    Löhne an die Gewinne koppeln, die sind inflationsbereinigt zwischen 2000 und 2007 um 38% gestiegen.

    Steuersenkungen bringen durch gleichzeitig steigende Gebühren erst ab ca. 3000 - 3500 Euro etwas, schlecht für die Wirtschaft, gut für den Finanzmarkt

    und vieles mehr. Lässt euch von Guido und Konsorten nicht von den wirklichen Problemen ablenken.

  • K
    Kai

    Bleibt, ergänzend zu meinen Vorkommentatorinnen, anzumerken, dass viele Pflegeeinrichtungen dem Wohlfahrtsverband nicht angehören. Vollzeitlöhne in der Pflegehilfe um die 1000,- €, manchmal mehr, manchmal weniger, sind die Regel. Und selbst ein Tarifvertrag ist nicht gleich Tarifvertrag, weil viele Einrichtungen (AWO, Caritas usw.) sogen. Haustarifverträge vereinbart haben. Die Entlohnung ist zwar besser, wie ganz ohne, jedoch geringer, als das, was man früher landläufig unter einem Tarifvertrag verstand.

    Auch den sogen. 'Öffentlichen Dienst' gibt es für viele Pflegeeinrichtungen nicht mehr. Viele Städte und Kommunen sind zwar z.B. Träger von Altenheimen, haben diese aber aus dem Öffentlichen Dienst in eine andere Rechtsform überführt (gGmbH, GmbH) und zahlen keinen sogen. Tariflohn, die Angestellten, die neu in solchen Einrichtungen anfangen, bzw, deren befristeten Verträge auslaufen und die auf Weiterbeschäftigung hoffen, verdienen dann oftmals einige hundert (!) Euro weniger als langjährige Mitarbeiter mit 'altem' Arbeitsvertrag, oder bei Abschluß der ersten Befristung. Dies beläuft sich z.T., je nach -eigentlich öffentlichem- Träger, auf 200,- bis 400,-€ weniger.

    Viele, die aktuell als Pflegehelfer/in in der Alten-oder ambulanten Pflege arbeiten oder neu einsteigen, bedürfen des aufstockenden Hartz-4. Oder aber sie bekommen es nicht, weil sie mit ihrem Lohn geringfügig über dem entsprechenden Betrag liegen.

    Da läßt sich nur sagen, manche verarmen , während sie Vollzeit arbeiten.

    Lohnabstand?

  • A
    AgatheM

    "Selbst im ungünstigsten Fall geht hierzulande ein Erwerbstätiger mit 254 Euro mehr Geld nach Hause als ein ALG-II-Bezieher, meistens sind es zwischen 350 und 500 Euro - oder mehr".

    Das wird nicht wahrer, wenn es auch unreflektiert wiederholt wird.

    Können tazAutoren noch recherchieren? Dann wüßten sie, wie es um die Löhne in diesem Lande steht. Und würden vielleicht selber feststellen, dass diese sogen. Expertise für viele Niedrig-Verdiener in keinster Weise zutrifft.

    Die Aussage: "vom Lohn für Vollzeitarbeit leben können" trifft in diesem Lande für Millionen nicht mehr zu. Was ist so toll, wenn man bei Vollzeitarbeit auf irgendein Amt betteln gehen muß, um leben zu können?

    Die taz-Autorin könnte sich zumindest die Mühe machen, sich über das Lohnniveau bei Mitgliedern des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes ( unterschieden nach Berufsgruppen!)zu informiern.

  • F
    Florentine

    Vorangestellt: ich bin für ein Anheben der unverschämten Niedrigstlöhne und gegen eine Westerwell'sche Absenkung von Hartz-4.

    Trotzdem: "Der Lohnabstand ist garantiert" stimmt so allerdings nicht so simpel, trotz dieser "Expertise".

    Es gibt Beispiele, bei denen Hartz-4-Empfänger durchaus besser gestellt sind als jemand im Niedrigstlohnbereich.

    Beispiel: Eine Pflegehelferin in der Altenpflege, neu eingestellt, verdient, je nach Art und Rechtsform des Arbeitgebers und evtl. Tarifgebundenheit (viele Arbeitgeber sind nicht mehr Tarifgebunden!), zwischen ca. 900,- und 1200,-€ netto im Monat bei Vollzeit, manchmal unter 900,-€.

    Davon muß diese Pflegehelferin sämtliche Kosten bestreiten. Von der Wohnungsmiete bis....

    Jemand, der Hartz-4 bezieht, bekommt Wohnungsmiete und andere Kosten im Zusammenhang mit der Wohnung bezahlt. Zusätzlich bekommt er 359,-€, die er bei einem 400,-€-Job um zusätzliche 160,-€, die ihm davon bleiben dürfen, aufstocken kann. Insgesamt kommt er netto auf 519,-€, bei, wie gesagt, bezahlten Wohnungskosten.

    Soviel bleiben einer Pflegehelferin oftmals nicht nach Abzug der Unkosten!

    Nun gibt es in der Bundesrepublik vermutlich Millionen Menschen, die bei voller Arbeit nochmals weniger verdienen, als meine beispielhafte Pflegehelferin. Auf Unterstützung der Tafeln sind oft genug beide angewiesen, ein Hartz-4-Empfänger und ein Geringstverdiener, der von seinem Vollzeitlohn nicht leben kann und zusätzlich aufstockendem Hartz-4 bedarf.

    Diese Diskussion über Hartz-4 stinkt zum Himmel und dient der Hetze gegen arme Menschen im Lande.

    Der eigentliche Skandal sind die von SPD/Grünen (!)eingeführten und seither ausgebauten Niedrigstlöhne, von denen die Menschen auch bei Vollzeit in Deutschland nicht leben können!

  • A
    anke

    Na, da haben sie ja noch einmal Glück gehabt, die Paritätischen. Der Lohnabstand zwischen Hartz-IV-Beziehern und Erwerbstätigen, zum Beispiel denen der Wohlfahrtsunternehmen, ist groß genug. Selbst im ungünstigsten Fall bekommen die, die zu wenig bekommen, ihr Einkommen so weit aufgestockt vom Staat, dass sie nicht behaupten können, das Aufstehen oder gar das Ertragen unzumutbarer Arbeitsbedingungen und/oder einer inakzeptablen Behandlung durch den Arbeitgeber würde sich nicht lohnen. Es ist nicht erforderlich, Löhne und Gehälter anzuheben, das wissen wir nun. Guido Westerwelle hat sich geirrt. Dank, Lob und Preis der Expertise, ihren Auftraggebern und den Verfassern! Nie war ein (zu) hoher Geldbertrag verdienter!