Kommentar Hamas: Fahrlässiger Denkzettel für die Hamas

Im Nahen Osten verdrehen sich die Vorzeichen: Die Hamas positioniert sich gegen die Raketen und sucht Hilfe auf der internationalen Ebene.

Benjamin Netanjahu nahm die Raketen in Kauf, die die Islamisten für ihre getöteten Helden auf Israel abschießen würden. Es sei klar gewesen, dass die Hinrichtungen zu einer neuen Gewaltwelle führen werde, meinte er und gab trotzdem das Kommando zum immer gleichen Szenarium: Die israelische Luftwaffe exekutiert einen gesuchten Terroristen, die Islamisten üben mit Raketen Vergeltung, die israelische Luftwaffe schlägt erneut zu, bis nach der Intervention von dritter Seite irgendwann wieder Ruhe einkehrt. Zweifellos hat Israel das Recht, sich selbst zu verteidigen. Nur warum passiert das so selten im Einklang mit den Genfer Konventionen?

Angenommen, die Informationen, die die Geheimdienste auf einen Anschlagsplan schließen ließen, sind doch nicht so dicht, wie Netanjahu es darstellt. Und angenommen, die Luftwaffe brauchte nur einen Vorwand, um den Islamisten im Gazastreifen noch vor dem absehbaren Angriff auf die iranischen Atomanlagen die Botschaft zu vermitteln, sich rauszuhalten aus allem, was danach kommen könnte. Israel würde sich ins Unrecht setzen, sollte sich der Verdacht erhärten, dass die beiden palästinensischen Aktivisten und die vielen anderen Toten nur herhalten mussten, um der islamischen Führung einen Denkzettel zu verpassen.

Und selbst wenn die Geheimdienste recht behalten, die Hinrichtung der beiden Extremisten hinterlässt einen üblen Nachgeschmack. Mag sein, dass die Militärs überfordert sind mit der Aufgabe, Terroristen „in flagranti“ zu erwischen. Aber ist mit der Exekution der beiden Männer die Gefahr wirklich gebannt? Sollte sich tatsächlich niemand finden, der das geplante Attentat an der südlichen Grenze ohne sie zu Ende bringt?

Die Angriffe der israelischen Luftwaffe bestärken all jene, die die sanft aus dem Gazastreifen tönenden Signale zur Abkehr vom gewaltsamen Widerstand noch im Keim ersticken wollen.

Die Führung der Hamas positioniert sich jetzt gegen die Raketen. Um den Vergeltungsaktionen ein Ende zu machen, müsste sie die Glaubensbrüder ins Gefängnis bringen und würde sich damit innenpolitisch geradewegs selbst ins eigene Bein schießen. Übrig bleibt ihr nur der diplomatische Druck. Die Hamas sucht Hilfe auf internationaler Ebene, um der Gewalt ein Ende zu machen. Im Nahen Osten verdrehen sich die Vorzeichen.

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1961 in Berlin geboren und seit 2021 Co-Leiterin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

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