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Kommentar Haasenburg-HeimeEin verspätetes Trauerspiel

Kommentar von Kai Schlieter

Der Bund hat auf die Haasenburg-Skandale reagiert, ein Jahr nachdem sie bekannt wurden. Alles, „was nötig sei“, werde getan. Doch was ist das?

Wie mit Kindern in Heimen umgegangen wird, bleibt Geschmackssache: Schild am Haasenburg-Heim. Bild: dpa

J etzt äußert sich auch ein Vertreter des Bundes zu den brutalen Vorfällen in der Haasenburg GmbH. Man werde „alles unternehmen, was nötig ist“. Toll? Leider nicht, denn der Skandal ist seit fast einem Jahr bekannt. Die Haltung des Bundes, das Thema so lange erfolgreich als regionales Problem zu ignorieren, retraumatisiert Betroffene, die schon einmal wehrlos ausgeliefert waren.

Der Bund überließ Brandenburg das Risiko einer juristischen Auseinandersetzung. Erst als das Land wider Erwarten vor Gericht einen von kaum jemand erwarteten Erfolg errang, reagierte der Bund. Das ist ein Trauerspiel.

Eine Änderung des Sozialgesetzbuches ist erforderlich. Ein zähe Sache, die wenig Punkte bei Wählern bringt. Ob der Ankündigung, das anzugehen, Taten folgen, bleibt abzuwarten. Denn die Regelungen betreffen eine Klientel, die nicht wählt: das Prekariat. Jene „Unterschicht“, deren minderjährige Kinder mehrheitlich die geschlossenen Heime bevölkern. Die Marktführer in diesem finanziell reizvollen Segment haben eine gute Lobby: die christlichen Kirchen in Deutschland. Das ist eine Konstellation, die manchen Politikern nicht unbedingt als Anreiz für Veränderungen taugt.

Die Berichte der taz, die erst Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch zunächst zögerlich, aber dann entschlossen zum Handeln bewegten, schob der Staatssekretär in die „Sphäre von Schauergeschichten“. Er bagatellisierte den Fall Haasenburg, ebenso das strukturelle Problem mangelhafter Kontrolle.

Wie mit Kindern in Heimen umgegangen wird, bleibt Geschmackssache. Betreiber, die Leben ruinieren, ist kaum beizukommen. Nötig wären schnelle Rehabilitation, kostenlose Therapien und finanzielle Wiedergutmachung. Dass dies nicht längst erfüllt wurde und weiter auf sich warten lässt, ist schwer erträglich.

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Seit 2008 bei der taz. Von 2012 bis März 2017 leitete er das von ihm gegründete Ressort Reportage & Recherche. Danach Wechsel zur Berliner Zeitung / Berliner Kurier. 2015 erschien sein Buch "Die Herrschaftsformel. Wie Künstliche Intelligenz uns berechnet, steuert und unser Leben verändert". 2011 erschien sein Buch "Knastreport. Das Leben der Weggesperrten".
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5 Kommentare

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  • Ein Trauerspiel, dass es in Deutschland die geschlossene (unkontrollierte)Unterbringung von Kindern überhaupt gibt. Kein Mensch weiß was in solchen Einrichtungen vor sich geht, aber Betreiber verdienen damit gut Geld! Und richtig, mit der Kirche im Hintergrund hat man einen starken Verbündeten. Ich hoffe, dass sich eines Tages genug Betroffene melden, um endlich etwas zu ändern. Geschlossene Unterbringung muss verboten werden!

    • @ExErzieher:

      Wie viele sollten sich denn ihrer Meinung nach noch melden?

      • Kai Schlieter , Autor des Artikels, Reportage & Recherche
        @Renzo Martinez:

        Hallo Herr Martinz,

         

        Wie viele haben sich bisher gemeldet?

        • @Kai Schlieter:

          Lieber Herr Schlieter,

          es waren mit Sicherheit einige Dutzend. Wir haben diesen Monat ein Treffen, dass vom Ministerium für Jugend finanziert wird und alle, die anzeige erstatteten oder bei der Untersuchung mithalfen eingeladen worden sind und daher weiß ich, dass es nicht bloß um ein "paar" Jugendliche geht. Das Treffen findet bald in Potsdam statt und ich freue mich schon darauf. Ich denke, dass das größere Problem darin besteht, dass das auch ein politisches Versagen war. 10 Jahre konnten sie mehr oder weniger tun was sie wollten - so kam es auch vor, dass gegen Auflagen verstoßen wurde wie an einer DNS-Untersuchung am Fixierbett nachgewiesen werden konnte. Das ist ein einziges Trauerspiel, da haben sie Recht.

           

          Ich bekam keine Benachrichtigung als sie mir schrieben und las ihren Beitrag nur per Zufall. Tut mir Leid, dass ich das nicht sofort registriert habe.

        • @Kai Schlieter:

          Viel zu wenige. Wenn man all die Fälle zusammenträgt, wenn man die Umstände in solchen Einrichtungen kennt, dann ist es verwunderlich, dass nicht ein Aufschrei durch dieses Land geht. Aber, es ist eben so, dass über allem der Mantel des Schweigens gebreitet wird. Warum stehen Befürworter der GU nicht dazu, dass es nichts anderes ist, als Kinder wegzusperren. Dann macht das, doch mit einem ordentlichen Urteil, nicht über die Berichte eines Sozialpädagogen, auf die sich ein Familienrichter stützt. Sprengt diese Seilschaften zwischen Betreibern, die beste Kontakte ins Gericht, in die Psychiatrie, sogar bis in die Politik haben. So werden alle Kontrollen umgangen. Bei Kindern und ihren Familien gilt bei einer Heimunterbringung nie die Unschuldsvermutung, nie das im Zweifel für den Angeklagten. Es gilt, was das Jugendamt aussagt. Wie oft sich Sozialpädagogen täuschen, die in keiner Weise dafür ausgebildet wurden, ein Gutachten zu erstellen, das müssten wir nun alle wissen. Nochmals, Heime verdienen Geld, indem sie Kinder und Jugendliche möglichst lange im System halten. Das darf nicht sein! Und ich habe in 20 Jahren kaum jemanden erlebt, dem diese Hilfe geholfen hat. Ausgespuckt hat man sie, obwohl sie im Anschluss wieder auf Hilfe angewiesen waren. So nun nochmals, wie viele sollen sich noch melden? So viele, bis es einen Aufschrei gibt, der nicht mehr überhört werden kann!