Kommentar Guantanamo-Häftlinge: Späte Geste aus Berlin
Schon seit Jahren wird über einen deutschen Beitrag zur Auflösung des Lagers diskutiert. Kaum zu glauben, welch quälend langwierige Debatte über eine Handvoll Menschen geführt wird.
D ie Bundesregierung erwägt, endlich Guantánamo-Häftlinge nach Deutschland zu holen. Ist das schon eine gute Nachricht? Die Vorbereitungen dafür klingen schon einigermaßen konkret. Doch freuen darf man sich erst, wenn Deutschland tatsächlich die Aufnahme einiger vermutlich unschuldig inhaftierter Gefangener beschlossen hat.
So oder so kommt die Geste viel zu spät. Schon seit Jahren wird über einen deutschen Beitrag zur Auflösung des Lagers diskutiert. Kaum zu glauben, welch quälend langwierige Debatte über die Aufnahme von nur einer Handvoll Menschen hier geführt wird. Groß war Deutschland bisher nur beim Finden neuer Ausflüchte.
Zwar ist es legitim, sich vor einer Aufnahme von Gefangenen über mögliche Risiken Gedanken zu machen. Doch nicht jeder, der Kontakte zu Islamisten hatte und in Afghanistan festgenommen wurde, ist ein potenzieller Terrorist. Wer so denkt, bewegt sich letztlich nur in der unseligen Logik von Guantánamo.
Christan Rath ist rechtspolitischer Korrespondent der taz. Er lebt und arbeitet in Freiburg/Breisgau.
Natürlich sind für die Aufnahme solcher Häftlinge vor allem die USA und die jeweiligen Heimatländer zuständig. Aber der US-Kongress ist noch mehrheitlich in der Autosuggestion gefangen, dass Guantánamo-Gefangene in den USA nichts zu suchen hätten. Und despotische Herkunftsländer wie Syrien und Tunesien sind für Ex-Guantánamo-Häftlinge höchstwahrscheinlich auch kein allzu sicherer Ort. Deshalb kann Barack Obama das Lager nicht ohne europäische Hilfe auflösen.
Wenigstens ist nicht mehr die Rede davon, dass diese Guantánamo-Insassen einen "Bezug zu Deutschland" haben müssen. Einen Schiffbrüchigen würde man schließlich auch nicht nach seinem Bezug zu Deutschland fragen - sondern ihn einfach retten.
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