Kommentar Grünen-Perteitag: Die schlichten Tricks der Grünen
Ein großer Knall auf dem Parteitag würde den Grünen nur helfen. Er wäre Ablenkung von inhaltlicher Armut und würde den Anschein einer sozialen Vordenkerrolle verstärken.
Würde es auf dem Parteitag in Nürnberg knallen, wäre das das Beste, was den Grünen passieren könnte. Denn parteiinterner Streit vermittelt dem Publikum immer den Eindruck, es müsse offenbar um sehr Wesentliches gehen. Mit wenig Aufwand hätten sie jene Rolle zurückerobert, die sie in der rot-grünen Regierung verloren haben - Vordenker in der Sozialpolitik zu sein.
In einer Oppositionspartei schaden Debatten nicht. Im Gegenteil, sie offenbaren nur, wie kreativ die Grünen sind. Denn sie haben gleich zwei Konzepte für die Zukunft zur Auswahl: Grundeinkommen und Grundsicherung. Wer kann das bei den etablierten Parteien schon von sich behaupten. Union und FDP haben ja noch nicht einmal eine einzige programmatische Idee, und die SPD ist auch noch nicht weitergekommen als bis zum Mindestlohn.
Eine leidenschaftliche Debatte auf dem Parteitag der Grünen würde zudem davon ablenken, wie mager die inhaltliche Substanz der beiden konkurrierenden Anträge eigentlich ist. Zwar wäre es tatsächlich sehr wünschenswert, den Hartz-IV-Satz auf 420 Euro monatlich anzuheben, und es ist auch dringend nötig, stärker in die Bildung zu investieren - nur wer soll das bezahlen? Die Grünen waren immerhin so ehrlich, selbst auszurechnen, dass ihre Ideen rund 60 Milliarden Euro kosten würden. Eine ernsthafte Gegenfinanzierung ist allerdings bisher nicht in Sicht.
Grüne Finanzpolitiker kontern gern, dass bei den rot-grünen Steuerreformen doch ähnlich hohe Beträge bewegt worden seien. Nach dem Motto: Machs noch mal, Fritz Kuhn. Dieses Argument ist aber geradezu schlicht. Es stimmt zwar, dass die rot-grüne Bundesregierung Steuergeschenke von rund 60 Milliarden Euro jährlich verteilt hat - und zwar vor allem an die Vermögenden.
Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass dieser Trick wiederholbar ist, um diesmal die Ärmeren zu unterstützen. Im Gegenteil. Weil die Steuermilliarden unter Rot-Grün verplempert wurden, ist jetzt kein Geld mehr da, um den prekären Existenzen beizustehen. Die Grünen können nur hoffen, dass dieser Zusammenhang nicht auffällt, weil das Schlachtgetümmel auf dem Parteitag so laut ist.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche