Kommentar Grüne und Atomwende: Konsens bleibt Nonsens
Die Grünen würden einen schweren Fehler machen, wenn sie dem mangelhaften Atomausstieg zustimmen. Denn ihre Zustimmung wäre nur ein Gütesiegel für Schwarz-Gelb.
K ompromissbereitschaft statt Nörgelei, Realismus statt Radikalität: Die Grünen werden derzeit massiv unter Druck gesetzt, der schwarz-gelben Atomwende zuzustimmen. Das Ziel dieser vermeintlich guten Ratschläge ist klar: Union und SPD setzen darauf, dass die Grünen eins ihrer zentralen Themen endgültig verlieren, wenn in dieser Frage Einigkeit besteht.
Die Grünen würden einen schweren Fehler machen, wenn sie sich diesem Druck beugten. Denn inhaltlich bleibt der Ausstieg bis 2022 nicht nur weit hinter den Konzepten der Umweltverbände (bis 2015) und der eigenen Forderung der Grünen (bis 2017) zurück, sondern sogar hinter dem Vorschlag der von der schwarz-gelben Regierung eingesetzten Ethikkommission, die den Ausstieg in zehn Jahren - oder auch schneller - für machbar erklärte.
Auch strategisch wäre die Zustimmung ein großer Fehler. Wenn die Grünen dem schwarz-gelben Ausstieg jetzt mittragen, werden sie ihn im Fall einer künftigen Regierungsbeteiligung kaum beschleunigen können. Während die Grünen sich also freiwillig selbst fesseln würden, kündigt die Industrie bereits an, dass sie den angeblichen Konsens mit allen Mitteln bekämpfen wird.
MALTE KREUTZFELDT ist Autor der taz.
Schon einmal haben die Grünen einen vermeintlichen "Atomkonsens" mitgetragen, der sich später als unwirksam erwies. Damals, im Jahr 2000, konnten sie aber immerhin argumentieren, dass es ohne ihre Zustimmung nicht mal einen langsamen, unsicheren Ausstieg gegeben hätte, sondern überhaupt keinen.
Im Jahr 2011 ist die Situation grundlegend anders: Den Ausstieg light gibt unabhängig von den Grünen. ihre Zustimmung wäre nichts weiter als ein Gütesiegel für Schwarz-Gelb.
Selbst wenn einige neue Grünen-Wähler in der Mitte von so viel vermeintlicher Vernunft beeindruckt sein sollten, geht die Partei damit ein hohes Risiko ein: Diejenigen, die in den vergangenen Wochen zusammen mit den Grünen für den schnellstmöglichen Ausstieg auf die Straße gegangen sind, würde die Partei bitter enttäuschen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund