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Kommentar Grüne und AtomausstiegNörgelei hilft nicht weiter

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Die Grünen müssen bald entscheiden, ob ihnen die Schärfung ihres Profils wichtiger ist als die Chance, einen historischen Konsens zu zementieren.

S ollen die Grünen dem Atomausstiegsplan der Regierung zustimmen? Wie quälend diese Überlegung für die Partei ist, die sich auch wegen des Kampfes gegen Atomkraft gegründet hat, zeigt das Lavieren ihrer Spitzenleute. Die Erklärungen, warum eine Zustimmung unmöglich sei, wurden in den vergangenen Tagen gewundener und waren immer weniger nachzuvollziehen, je weiter die Regierung auf die Opposition zuging. Jetzt haben die Gremien der Parteibasis die Entscheidung überlassen.

Natürlich gibt es keinerlei Pflicht der Opposition, selbst die bedeutendsten Reformen mitzutragen. Vielleicht muss man die Frage dennoch einmal andersherum stellen: Warum eigentlich nicht?

Schwarz-Gelb hat den Ländern und der Opposition gewaltige Zugeständnisse gemacht und über den Ethikrat viele, auch dezidiert AKW-kritische Gruppen eingebunden. Das vorgelegte Konzept erinnert nach Korrekturen in wichtigen Punkten an den Kompromiss, den die rot-grüne Regierung im Jahr 2000 gefunden hatte. Treibend waren damals die Grünen. Jetzt läuft die Partei Gefahr, in die Rolle des kleinkrämerischen Nörglers zu rutschen, der einen gangbaren Kompromiss zu Unrecht als inakzeptabel abstempelt. Auch wenn weiterhin Kritik am schwarz-gelben Konzept mehr als berechtigt und nötig ist: Bald müssen die Grünen entscheiden, ob ihnen die Schärfung ihres Profils wichtiger ist als die Chance, einen historischen Konsens zu zementieren.

Bild: taz

Ulrich Schulte ist Leiter des Berliner Parlamentsbüros der taz.

Für Letzteres spricht viel aus Sicht der Partei. Der Atomausstieg ist mit diesem breit angelegten Kompromiss abgeräumt, die Bundestagswahl 2013 wird mit neuen Themen gewonnen. Und dass die Grünen den Atomausstieg erfunden haben, werden die Wähler sowieso nicht vergessen.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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7 Kommentare

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  • E
    Elena

    In spätestens zwei Jahren ist die Laufzeitverkürzung eh aufgehoben und es werden auch in Deutschland neue AKWs gebaut werden, jeder, der auch nur die vier Grundrechenarten versteht, kann das vorhersehen - denn AKWS sind nun einmal die mit weitem Abstand umweltfreundlichste, effektivste und vor allem sicherste Methode, Strom zu erzeugen - das hat der Rest der Welt, abgesehen von den dummen Deutschen, länsgt begriffen. Deutschland wird massiv in Atomenergie investieren und so seinen Respekt vor den Menschen in diesem Land und den nachfolgenden Generationen zeigen - oder es wird verantwortungslos und schnell zugrunde gehen.

    Überall in der Welt bedeutet grüne Politik einen deutlichen Ausbau der Kernenergie - außer in Dumm-Deutschland.

  • P
    p3t3r

    Das vorgelegte Konzept erinnert nach Korrekturen in wichtigen Punkten an den Kompromiss, den die rot-grüne Regierung im Jahr 2000 gefunden hatte. Treibend waren damals die Grünen. Jetzt läuft die Partei Gefahr, in die Rolle des kleinkrämerischen Nörglers zu rutschen, der einen gangbaren Kompromiss zu Unrecht als inakzeptabel abstempelt. Auch wenn weiterhin Kritik am schwarz-gelben Konzept mehr als berechtigt und nötig ist

     

    und genau deswegen dürfen die grünen nicht zustimmen.

    weil der kompromiss von 2000 nicht der von 2011 sein darf, insbesondere weil diesmal die konservativen den vorschlag machen es besteht die pflicht noch mehr rauszuholen...

    verstehe nicht warum der kommentator die grünen nicht unterstützt sondern sogar noch das wort nörgler bemüht....

  • E
    edefault

    "Der Atomausstieg ist abgeräumt" ... träum weiter.

     

    Im Ernst: Bisschen Recherche, nicht nur kurz in Bild glotzen, dann versteht man die Dinge wirklich besser.

  • V
    vic

    Vielleicht sind die Grünen auch nur nicht ganz so leichtgläubig wie die Allgemeinheit.

    Der Atomausstieg, sollte er stattfinden, wird dazu führen, dass auch die regenerative Stromversorgung den vier üblichen Verdächtigen gehört.

    Umsonst gibt`s bei Grossmann und Co nichts, auch nicht für die CDU.

  • FN
    Florian Noto

    Das mindeste was man von den Grünen und der SPD erwarten kann ist, dass sie das Atomgesetz verteidigen, das erst vor einem halben Jahr geändert wurde. Stattdessen sollen alle neun AKW länger am Netz bleiben als nach dem alten Atomgesetz! Einige Beispiele:

     

    Gundremmingen C: Abschaltung 2021 statt 2016

    Isar 2: Abschaltung 2022 statt 2020

    Brokdorf: Abschaltung 2021 statt 2019

    Grohnde: Abschaltung 2021 statt 2018

     

    Dieser Ausstieg ist eine Laufzeitverlängerung und wenn SPD und Grünen dem zustimmen, verraten sie zum zweiten Mal die Bewegung.

     

    taz zahl ich nicht!

  • E
    EEE

    Was sie von den Grünen fordern ist sozialdemokratische Politik: Die eigenen Ideale verraten um einen kleinsten gemeinsamen Nenner mit dem herrschenden System zu erhalten und so als bürgerlich anerkannt zu werden. Die Atombeschlüsse werden auch ohne grünes Ja verabschiedet werden, gut so. Ein erster Schritt. Die Grünen müssen dem kein Siegel geben. Sie werden damit auch kaum Zustimmung verlieren, nur die Presse von rechts bis mittellinks wird schreiben sie seien die Dagegenpartei... Sei's drum. Jetzt stillhalten und ab 2013 (die SPD vor sich hertreibend) die Laufzeiten radikal verkürzen, hoffen wir, dass uns bis dahin keines der Dinger um die Ohren fliegt...

  • WA
    Wilhelm Achelpöhler

    Warum sollten die Grünen dem schwarz-gelben Atomausstieg zustimmen? Wenn es eine Lehre aus Harrisburg, Tschwernobyl und Fukushima gibt dann die, dass mit Atomenergie die Bevölkerung einen Risiko ausgesetzt wird, das viel zu lange als "Restrisiko" verharmlost wurde. Werden die Grünen mit einem Ja zu Merkel die Laufzeit auch nur eines AKW verkürzen? Mit Sicherheit nicht. Werden die Grünen mit einem Nein zu Merkel die Laufzeit verkürzen, etwa nach den Wahlen 2013? Vielleicht.

     

    Noch als der Rot-Grüne Atomkonsens 2000 auf der BDK in Münster verabschiedet wurde, hieß es: "Nach wie vor halten wir den Betrieb von Atomkraftwerken für nicht beherrschbar – ihre Sicherheit kann niemand garantieren. Die Entsorgung des Atommülls ist nach wie vor ungeklärt." Man wollte "auch jenseits des nun zwischen der Bundesregierung und der Atomindustrie gefundenen Konsens, weiterhin einen schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie" und kündigte an, sich "weiterhin für unsere Ziele auch außerparlamentarisch einsetzen und uns an den Protesten der Anti-AKW-Bewegung in Ahaus, Gorleben und anderswo beteiligen." Aus dem Protest wurde solange Rot-Grün regierte bekanntlich nicht viel, aber immerhin.

    Heute als Opposition dem Regierungs"ausstieg" zuzustimmen, das ist eine andere Qualität. Heute werden die Grünen nicht gebraucht, um das Gesetz zu verabschieden, sie werden als Opposition gebraucht. Oder eben nicht. Jedenfalls nicht von der Anti-AKW Bewegung.

    Auch gegen den nächsten Castor-Transport wird es Proteste geben.