Kommentar Grüne Fraktionsspitze: Die Zeit der leiseren Töne
Der Rücktritt von Volker Ratzmann ist ein herber Verust für die Grünen. Aber machmal muss man erst neue Probleme schaffen, um alte in Angriff nehmen zu können.
V olker Ratzmann ist der Kopf der Berliner Grünen. Er ist ihr profiliertester Redner. Der Lautsprecher. Der Gern-Haudrauf. Er ist das öffentliche Gesicht der Berliner Grünen. Auch sein Rücktritt als Fraktionsvorsitzender wird daran so schnell nichts ändern. Denn weder seine Kovorsitzende Ramona Pop noch ein anderer Abgeordneter der Grünen hat bisher erkennen lassen, dass er das Format des großen Agitators hätte. Das ist ein Problem für die Außendarstellung der Partei. Aber manchmal muss man erst neue Probleme schaffen, um alte in Angriff nehmen zu können.
Wie groß die Dissonanzen bei den Grünen sind, zeigt das Thesenpapier des Landesvorstands für den Parteitag am Mittwochabend. Es ist eine Abrechnung mit dem zurückliegenden Wahlkampf, wie sie schärfer nicht sein könnte: Es habe keine Gesamtstrategie gegeben. Und keinen Plan B für den Fall absackender Umfragewerte. Die Spitzenkandidatin Renate Künast sei eine Dame ohne Unterleib geblieben. Man habe den Wählern bis zum Schluss nicht klarmachen können, wofür sie stehe.
Diese Kritik stammt wohlgemerkt nicht vom linken Flügel, sondern vom Landesvorstand. Sie trifft den engen Kreis, der im grünen Wahlkampf die Strippen in der Hand hatte: Renate Künast, die sich längst wieder in den Bundestag verkrümelt hat. Und Volker Ratzmann. Er war der Kopf. Schon deshalb war sein Rücktritt überfällig. Und es ist eine Chance, dass sich bei den Grünen kein neuer Lautsprecher aufdrängt. Denn in der Hitze des internen Gefechts ist nichts heilsamer als ein paar leisere Töne.
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