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Kommentar Grüne FraktionsspitzeDie Zeit der leiseren Töne

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Der Rücktritt von Volker Ratzmann ist ein herber Verust für die Grünen. Aber machmal muss man erst neue Probleme schaffen, um alte in Angriff nehmen zu können.

V olker Ratzmann ist der Kopf der Berliner Grünen. Er ist ihr profiliertester Redner. Der Lautsprecher. Der Gern-Haudrauf. Er ist das öffentliche Gesicht der Berliner Grünen. Auch sein Rücktritt als Fraktionsvorsitzender wird daran so schnell nichts ändern. Denn weder seine Kovorsitzende Ramona Pop noch ein anderer Abgeordneter der Grünen hat bisher erkennen lassen, dass er das Format des großen Agitators hätte. Das ist ein Problem für die Außendarstellung der Partei. Aber manchmal muss man erst neue Probleme schaffen, um alte in Angriff nehmen zu können.

Wie groß die Dissonanzen bei den Grünen sind, zeigt das Thesenpapier des Landesvorstands für den Parteitag am Mittwochabend. Es ist eine Abrechnung mit dem zurückliegenden Wahlkampf, wie sie schärfer nicht sein könnte: Es habe keine Gesamtstrategie gegeben. Und keinen Plan B für den Fall absackender Umfragewerte. Die Spitzenkandidatin Renate Künast sei eine Dame ohne Unterleib geblieben. Man habe den Wählern bis zum Schluss nicht klarmachen können, wofür sie stehe.

Diese Kritik stammt wohlgemerkt nicht vom linken Flügel, sondern vom Landesvorstand. Sie trifft den engen Kreis, der im grünen Wahlkampf die Strippen in der Hand hatte: Renate Künast, die sich längst wieder in den Bundestag verkrümelt hat. Und Volker Ratzmann. Er war der Kopf. Schon deshalb war sein Rücktritt überfällig. Und es ist eine Chance, dass sich bei den Grünen kein neuer Lautsprecher aufdrängt. Denn in der Hitze des internen Gefechts ist nichts heilsamer als ein paar leisere Töne.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
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1 Kommentar

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  • G
    Grünspecht

    Wieso ist der Rücktritt von Herrn Ratzmann ein herber Verlust für die Grünen?

     

    Mir ist bisher nicht aufgefallen, dass er ein profilierter Redner ist. Geschweige denn, dass er fundierte Konzepte für die Probleme Berlins gehabt hätte. Er wollte mit der CDU an die Landesregierung. - Und das wars.

     

    Die sogenannten Linken bei den Grünen sind allerdings irgendwie auch seltsam.

     

    Wo ist denn ihr Einsatz fürs Soziale? Wer links ist, ist schließlich sozial eingestellt und auf der Seite der ökonomisch Benachteiligten.

     

    Wo ist aber der Einsatz der "linken" Grünen für die ca. 800.000 Armen in Berlin, gegen Hartz IV, gegen die zunehmende Altersarmut, gegen Leiharbeit, Minijobs kurz gegen die ganze Misere, den die Grünen (u.a. in verantwortlicher Position: Frau Künast!) gemeinsam mit der SPD auf Bundesebene eingeführt hatten? Damit haben die Grünen die Arbeits- und Lebensbedingungen von vielen Millionen Menschen auf Dauer ruiniert. Von Menschen, die nicht im öffentlichen Dienst arbeiten und die keine Rechtsanwälte sind. - Für solche Leute interessieren sich die Grünen offensichtlich leider wenig.

     

    Die massiven sozialen Probleme haben die sogenannten linken Grünen im Berliner Wahlkampf nicht interessiert und jetzt interessieren sie sie anscheinend auch nicht.

     

    Es fehlt eine Neuausrichtung der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik in der ganzen Partei. Aber noch nicht mal die "linken" Grünen treiben sie voran.

     

    Diese Partei könnte sich wirklich auflösen, denn auch im ökologischen Bereich machen die Grünen, da wo sie mitregieren, so gut wie nichts. Auch in der Opposition auf Berliner Landesebene waren sie in diesem Bereich die letzten 5 Jahre eher verschlafen und trotteten - wenn überhaupt- eher lustlos so mancher engagierten Bürgerinititiative hinterher.

     

    Bei den Grünen gehts in 1. Linie um Posten und ums Karriere machen. Inhalte sind seit langem austauschbar.