Kommentar Große Koalition Thüringen: Linke Hahnenkämpfe
Mit der Koalitionsvereinbarung in Thüringen ist der Weg frei für Christine Lieberknecht. Die Sozialdemokraten verhelfen der Union damit zu einem erheblichen Prestigegewinn.
S o ändern sich die Zeiten. Als 1993 die erste Frau an die Spitze eines deutschen Bundeslandes trat, war es noch die SPD, die den gesellschaftlichen Modernisierungsschritt vollzog. Sechzehn Jahre später ist Heide Simonis längst von Heckenschützen aus der eigenen Partei erlegt, nun wird die CDU die einzige Ministerpräsidentin der Republik stellen.
Mit der Koalitionsvereinbarung, auf die sich CDU und SPD am Montag in Thüringen einigten, ist der Weg frei für Christine Lieberknecht. Die Sozialdemokraten verhelfen der Union damit zu einem erheblichen Prestigegewinn. Mit dem schnellen Abschied von Dieter Althaus, den Thüringens SPD-Chef Christoph Matschie als seinen Erfolg verbucht, hat er vor allem der örtlichen Union geholfen.
Die Szene ähnelt dem Berliner Geschehen vor vier Jahren, als Gerhard Schröder mit seinem breitbeinigen Auftritt vom Wahlabend der heutigen Bundeskanzlerin den Weg zur Macht wesentlich vereinfachte. Auch in Thüringen war es zuletzt der Prestigekampf zwischen Matschie und Linkenchef Bodo Ramelow, der eine Ministerpräsidentin Lieberknecht ermöglichte und die örtliche CDU nach ihrem Wahldebakel in eine unverhofft günstige Ausgangslage brachte.
Ralph Bollmann leitet das Parlamentsbüro der taz.
Dass die SPD in großen Koalitionen immer nur verliert, ist dabei nicht gesagt. In Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin gelang ihr aus der Position des Juniorpartners heraus der Griff nach dem Amt des Regierungschefs, in Bremen und Brandenburg konnte sie zuletzt die CDU durch genehmere Partner ersetzen.
In all diesen Fällen hatte sich jedoch die Union aus unterschiedlichen Gründen selbst zerschlissen. Darauf kann sich die SPD in Thüringen aber nicht verlassen - vor allem dann nicht, wenn das sogenannte linke Lager vorzugsweise Hahnenkämpfe pflegt.
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