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Kommentar GroßbritannienSchwein mit Lippenstift

Ralf Sotscheck
Kommentar von Ralf Sotscheck

Mit Cameron als Premier hält der Thatcherismus in der Downing Street wieder Einzug. Die Liberalen werden deshalb die Koalition mit den Tories noch bereuen. Sie sind die Verlierer.

D as wird Nick Clegg noch bereuen. Durch die Koalition mit den Tories hat der Chef der britischen Liberalen einer Partei an die Macht verholfen, unter der die Schere zwischen Armen und Reichen erheblich größer werden wird. Camerons Politik ist eine Rückkehr zu den fundamentalistischen Wurzeln der Tories. Darüber kann auch Camerons jungenhafte Ausstrahlung nicht hinwegtäuschen. Es ist Thatcherismus mit menschlichem Antlitz – oder, wie der Engländer es ausdrückt: Es ist nichts anderes, als einem Schwein etwas Lippenstift aufzutragen.

Camerons Steuersenkungen werden zu starken Einschnitten bei den öffentlichen Diensten und den Beihilfen führen, seine Sparpolitik wird die Arbeitslosigkeit in die Höhe treiben. Er will die Abtreibungsfristen senken, er blockiert den Sexualkundeunterricht und den Sonderunterricht für Kinder mit Leseschwäche. Seine Partei ist homophob.

Philippa Stroud, die Direktorin des Tory-Thinktanks „Centre for Social Justice“, hat eine evangelische Kirche gegründet, die Homosexualität auf dämonischen Einfluss zurückführt und die Infizierten durch Teufelsaustreibung „heilen“ will.

Bild: derek speirs

Ralf Sotschek ist taz-Korrespondent und lebt in Dublin.

Und Chris Grayling, der vor der Koalition mit den Liberalen Innenminister werden sollte, hegt Sympathien für Eigentümer von Hotels und Pensionen, die ihrer schwulen Kundschaft die Tür weisen.

Eine grüne Politik ist mit den Tories nicht zu machen. Eine erschreckend hohe Zahl ihrer Abgeordneten hält den Klimawandel für linke Propaganda. Cameron will die Planungsgesetze abschaffen, die eine Verpflichtung für erneuerbare Energien enthalten.

Und die meisten Tory-Abgeordneten sind gegen eine Obergrenze für Bonuszahlungen an Bankmanager, sie sind gegen eine Regulierung der Finanzmärkte – das müssen sie ja auch, denn viele kommen aus diesem Bereich.

Der Deal mit den Tories wird sich als tödliche Umarmung für Clegg erweisen. Er wird seine proportionale Repräsentation nicht bekommen. Die Wähler, die in den Liberalen die beste Chance sahen, eine Tory-Regierung zu verhindern, werden der Partei den Rücken kehren.

43 Prozent ihrer Wähler bezeichnen sich als links. Wenn nur die Hälfte davon abspringt, fallen mindestens 15 der 57 Liberalen-Sitze an Labour.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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8 Kommentare

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  • T
    tubili

    @dietah

    so isch recht^^

  • W
    Waage

    Verstehe ich nicht,

     

    in der Berichterstattung der taz wurde bisher eigentlich immer betont, dass es sich für die Briten/Britinnen inhaltlich auf gar keinen Falle lohnen würde, die "Verräter" von Labour zu wählen und vor allem nicht die "verschnarchte Niete" Gordon Brown.

     

    Jetzt gibt es eine konservativ - liberale Regierung und plötzlich beginnt die Regierungszeit von Labour im Rückblick milde zu schimmern.

     

    Ich plädiere für eine weniger arrogante, auf jeden Fall kritische aber auch faire Berichterstattung über gemäßigt linke Regierungen und zwar bereits in ihrer Amtszeit und nicht erst wenn sie abgewählt wurden!

  • T
    Timm

    Das Problem ist doch in Wahrheit das Mehrheitswahlrecht in England. Das gehört dringend an das europäische Festland angepasst und die Liberalen fordern dies. Aber sowohl Labour hat dies immer verhindert, als auch die Konservativen ebenso. Das Nachsehen haben die Liberalen, die Grünen und alle anderen kleineren Parteien im Vereinigten Königreich. Das Wahlrechtssystem in England ist sehr, sehr unfair und ungerecht.

     

    Des Weiteren zum aktuellen Wahlergebnis: für Labour und Liberale allein hätte es noch nicht einmal einer Mehrheit gereicht; sie hätten eine weitere kleinere Partei aus Schottland oder aus Nordirland mit ins Boot nehmen müssen und selbst dann wäre die Mehrheit im Parlament sehr knapp gewesen. Demgegenüber ist die Mehrheit von Liberalen und Konservativen weit stabiler.

     

    Drittens den Konservativen kann man vieles vorwerfen: Europafeindlichkeit vor allem.

     

     

    Aber die Aufzählung Homophobie ist in dieser Form übertrieben; da hat sich der Autor genau bestimmte Einzelpersonen herausgegriffen. Philippa Strout beispielsweise hat nicht einmal einen Sitz im Parlament erreicht. Zudem haben die Konservativen mit Nick Herbert, Greg Barker, Ian Stewart und Stuart Andrew gleich vier offen homosexuelle Abgeordnete im Unterhaus sitzen. Da noch vom althergebrachten Homophobieanstrich der Konservativen in London "gross" zu schreiben, ist voll an der veränderten Realität vorgeschrieben. Die Tories unter Cameron sind nicht mehr die alten Konservativen unter Thatcher. Gerade im Punkto Homosexualität haben auch die Konservativen stark hinzugelernt in England.

  • V
    vantast

    Was sind "Konservative" nur für Menschen. Die hier beschriebene menschenfeindliche Haltung der Konservativen entspricht der in den USA, sie ist erschreckend für mich. Wer versteht das: Schutz des Lebens von Embryos, aber Krieg, ja, bitte, auch für Öl.

    Und wer wählt solche gemeingefährliche Leute?

  • DF
    Dr. Frank Berghaus

    Selten habe ich einen so dümmlichen Kommentar zur Situation in Grossbritannien gelesen. Ist es wirklich ein alles entscheidendes Thema, ob irgendwelche evangelikalen Spinner meinen, Homosexualität heilen zu können? Die wirklichen Probleme, um die es für die neue Regierung nunmehr geht, hätte der Autor leicht z.B. im Handelsblatt von heute nachlesen können.

  • L
    Leser

    Etwas mehr Thatcherismus könnte auch Deutschland nicht schaden. Immerhin hat die Eiserne Lady Großbritannien aus den dunklen Jahren der abourzeit in die Moderne geführt.

  • D
    dietah

    Ja!

    Jeder sollte seinen Merkel/Westerwelle/Bush/Berlusconi bekommen.

    Dann kapiert wenigstens der letzte Vollhonk, dass es

    a) keine Übermenschen gibt

    b) es, dem Himmel sei Dank, Wahlen gibt um diese Nervensägen wieder loszuwerden

    c) Geld&Macht ganz komische Leute anziehen, obwohl es beides eigentlich gar nicht gibt

    d) das Leben wiedr zu genießen, denn wenn DAS die Spitze der hierarchischen Pyramide sein soll... Nun ja, muss man das haben?

  • S
    sonny

    ach du shice...

     

    strange und gefährlich.

     

    mein Beileid.