Kommentar Griechenland: Bankrott bringt neue Freiheiten
Es war klar, dass Griechenland und die EU sich beim Thema Schulden einigen. Das Tauziehen um die Art und Weise ist nur eine Show für die Wähler.
T rotz allem Hick-Hack bei den Verhandlungen: Es ist klar, dass Griechenland vorerst nicht in die Pleite geschickt wird. Es werden weitere Hilfsgelder fließen. Der Rest ist Theaterdonner, der für die Wähler aufgeführt wird. Die Inszenierung muss stimmen, und dazu gehört es eben, dass EU-Beratungen scheinbar ergebnislos vertagt werden.
Es ist undenkbar, dass die Athener Politiker Milliarden aus dem Staatshaushalt kürzen oder den Mindestlohn senken – ohne dass sie wenigstens so tun, als würden sie Widerstand leisten. Umgekehrt können auch die Geberländer nicht einen Milliarden-Scheck unterschreiben, sondern müssen als harte Verhandler auftreten, damit die heimischen Wähler überzeugt sind, dass die Rettungsgelder unvermeidlich sind.
Doch auch wenn Griechenland diesmal noch vor dem Konkurs bewahrt wird: Es deutet sich eine Wende an. Denn inzwischen ist offensichtlich, dass das reine Spardiktat nicht funktioniert. Griechenland versinkt in einer tiefen Depression – ohne dass sich seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern würde. Also steigen die Schulden, statt dass sie sinken.
ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.
Noch leugnet die EU diese Realität und setzt auf schärfere Kontrollen. Und es stimmt ja, dass die Griechen längst nicht alle zugesagten Maßnahmen umgesetzt haben. Doch trotz dieses Bummelstreiks steigen Arbeitslosigkeit und Armut rasant. Es ist nicht zu sehen, was daran besser gewesen wäre, wenn jetzt schon 30 Prozent der Griechen ohne Job dagestanden hätten – statt aktuell 20 Prozent.
Die Euro-Staaten stehen vor einer Grundsatzfrage: Wird akzeptiert, dass Griechenland über Jahre großzügige Hilfen braucht? Oder soll das Land Pleite gehen und den Euro verlassen? Diese Entscheidung ist keine Frage der Kosten, denn beide Varianten sind teuer. Das ist ärgerlich, aber auch eine Chance.
Denn wenn die Milliarden sowieso fließen müssen, eröffnet sich eine neue Form der Freiheit: Unbeeinflusst von wirtschaftlichen Erwägungen können die Europäer politisch bestimmen, was sie sein wollen. Ein Bundesstaat? Oder ein loser Staatenbund? Dazwischen gibt es nichts, das hat die Eurokrise klar gemacht.
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