Kommentar Griechenland und Italien: Demokratie – neu definiert
Statt Berufspolitiker hievt Griechenland nun mit Papademos einen Technokraten an die Macht. Und auch in Italien zeichnet sich eine ähnliche Lösung ab.
W as ist Demokratie? Die Antwort wird in der Eurozone gerade neu definiert. Denn Griechenland hat mit Lucas Papademos (Transkription auch: Loukas Papadimos) nicht nur einen neuen Premier, es entsteht ein neues Politikmodell. Statt Berufspolitiker kommen nun Technokraten an die Macht.
Keine Frage, Papademos ist der ideale Kandidat für eine Übergangsregierung. Er ist parteilos und ein international anerkannter Experte in Finanzfragen. Ihm wird zugetraut, Griechenland nun endlich zu sanieren - daher schossen die Aktien prompt weltweit in die Höhe.
Doch nicht nur Griechenland beruft einen parteilosen Experten, der jetzt Politik machen soll. In Italien zeichnet sich eine ähnliche Lösung ab, wo beharrlich darauf gesetzt wird, dass der Wirtschaftsprofessor und ehemalige EU-Kommissar Mario Monti demnächst auf Silvio Berlusconi folgt.
Auch Monti wäre fraglos eine kluge Wahl, um Italien zu retten. Dennoch stimmt es unbehaglich, dass nun Nichtpolitiker in die Politik berufen werden, weil nur noch sie Vertrauen stiften können. Denn das Modell "Politik gegen die Politik" ist nicht nur bei einer Expertokratie zu finden - sondern definiert auch den Populismus. Dort tritt stets ein selbstinszenierter Außenseiter auf, der verspricht, das politische "Establishment" zu entmachten.
Natürlich sind Expertokratie und Populismus nicht identisch, sondern meist entgegengesetzt. Aber sie verbindet der Gestus der Antipolitik. Daher ist nicht völlig auszuschließen, dass Griechenland nach einer Übergangsregierung der Techniker in den Populismus kippt.
An den Regierungswechseln in Griechenland und Italien ist jedoch nicht nur wegweisend, dass parteilose Experten als die perfekten Krisenmanager gelten. Noch einschneidender ist die Tatsache, dass das neue Personal letztlich von außen diktiert wurde. Nicht die Italiener haben Berlusconi gestürzt, sondern die Finanzmärkte, indem sie die Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen immer weiter nach oben trieben. Und Papademos wurde griechischer Premier, weil er das größte Vertrauen bei den anderen Euroländern und beim Internationalen Währungsfonds genießt.
Es gibt keine besseren Kandidaten als Papademos und Monti. Trotzdem können sie für die Demokratie gefährlich sein. Denn sie wurden von außen durchgesetzt, und sie bestätigen als parteilose Experten den Antipolitik-Reflex.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird