Kommentar Gorleben: Wenn das Netz für Vernunft sorgt
Das Netz bringt Röttgen in Zugzwang: Dort kann jeder Bürger nachlesen, wie Gorleben in kurzer zeit und ohne wissenschaftlichen Vergleich zum Endlager-Standort gemacht wurde.
D urch die Veröffentlichung vieler bisher vertraulicher Dokumente über Gorleben bekommt Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) ein massives Problem. Bisher war es seine Strategie, jede Kritik am geplanten Endlager-Standort als ideologisch und verantwortungslos darzustellen.
Das wird kaum mehr funktionieren, wenn jeder im Internet nachlesen kann, wie Gorleben nachträglich auf eine Liste gehoben und dann ohne echte Untersuchung innerhalb weniger Wochen zum besten Standort erklärt wurde. Oder mit eigenen Augen sieht, wie riesige Wasservorkommen plötzlich aus den Unterlagen verschwanden.
Eigentlich sollte Röttgen klug genug sein, um die jetzt bekannt gewordenen Fakten zum Anlass zu nehmen, sich von Gorleben zu verabschieden und mit der Endlagersuche neu - und diesmal wirklich ergebnisoffen - zu beginnen. Doch damit ist nicht zu rechnen. Denn der Minister steht unter Zugzwang: Seine Partei hat sich gegenüber den Energiekonzernen auf längere Laufzeiten für die Atomkraftwerke festgelegt. Damit dies nicht wegen der nach wie vor ungelösten Entsorgung vor Gericht scheitert, muss er die Arbeiten in Gorleben wieder aufnehmen, um zumindest den Eindruck zu erwecken, dass an der Lösung der Endlager-Frage ernsthaft gearbeitet wird.
Malte Kreutzfeldt ist Leiter des Ressorts Wirtschaft und Umwelt bei der taz.
Wenn die Regierung nicht zur Vernunft kommt, liegt die Hoffnung zum einen bei der Justiz: Ein Endlager, das ohne wissenschaftlichen Standort-Vergleich nach rein politischen Kriterien durchgedrückt wird, dürfte vor Gericht keinen Bestand haben. Denn damit dürfte der Staat gegen seine Pflicht zur bestmöglichen Gefahrenabwehr verstoßen.
Doch allein auf die Gerichte muss sich niemand verlassen. Bei der geplanten Laufzeitverlängerung liegt die Hoffnung zudem bei den aufgeklärten BürgerInnen: Da dafür die Zustimmung des Bundesrats notwendig ist, kann schon der Ausgang der Wahl in Nordrhein-Westfalen diese unsinnigen Pläne ein für alle Mal beerdigen.
Und die Anti-Atom-Bewegung will mit ihren bundesweiten Aktionen am 24. April beweisen, wie richtig Röttgen mit seiner Analyse liegt, dass es nach wie vor keine gesellschaftliche Akzeptanz für Atomkraft gibt. Nur wenn durch Wahlverhalten und Proteste der politische Preis weiter steigt, werden sich Union und FDP von ihren Atomplänen verabschieden.
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