Kommentar Gleichstellung: Die Union will verurteilt werden

Die Kritik der Union am Verfassungsgericht ist nicht ernstzunehmen. Denn bei der Gleichstellung zeigt sich, wie sinnvoll ein politisches Gericht ist.

Nun hat die Union also doch wieder der Mut verlassen. Statt die Gleichstellung der homosexuellen Paare selbst voranzutreiben, will sich die CDU/CSU weiter vom Bundesverfassungsgericht verurteilen lassen. Urteil für Urteil, Schritt für Schritt. Die Union will verpflichtet werden. Es soll nicht so aussehen, als hätte sie etwas eingesehen.

Natürlich ist das Bundesverfassungsgericht ein politisches Gericht, das politische Entscheidungen trifft und sie als Verfassungsrecht verkauft. Dass das auch für die Gleichstellung Homosexueller gilt, sieht man schon daran, dass das Gericht erst seit vier Jahren als Motor der Gleichstellung agiert.

Dass die Einrichtung eines politischen Gerichts an der Staatsspitze sinnvoll ist, zeigt die Diskussion über die Homo-Ehe aber auch. Denn eigentlich ist die Gesellschaft längst reif genug, die eingetragenen Partnerschaften an die Ehe anzugleichen. Dass dies nicht gemacht wird, ist nur der Rücksicht auf die konservativen Stammwähler der Union geschuldet.

Wenn hier das Bundesverfassungsgericht eingreift, verletzt es nicht die rechtsstaatliche Gewaltenteilung, sondern es verhindert, dass aus populistischer Taktik willkürliche Gesetze zulasten umstrittener stigmatisierter Minderheiten gemacht werden. Es ist schon peinlich genug, dass ausgerechnet die christlichen Regierungsparteien hierfür Anlass geben.

Dagegen ist die Unions-Kritik am Bundesverfassungsgericht nicht ernst zu nehmen. Natürlich sollen auch Verfassungsrichter gelegentlich mit der Presse sprechen und ihre Urteile erklären und diskutieren. Dass sich Andreas Voßkuhle jüngst mit Hauptstadtjournalisten traf, war deshalb kein Fauxpas, sondern ein Akt der Transparenz, der dem Gericht gut ansteht. Vermutlich galt die Kritik aus dem konservativen Flügel der Union aber auch gar nicht dem Karlsruher Gericht und seinen Urteilen, sondern indirekt der Unions-Spitze und ihrem für manche unerwarteten und zu weit gehenden Modernisierungskurs.

Nun haben sich die Traditionalisten ja durchgesetzt. Der liberale Frühling der Union ist schon wieder vorbei. Die Unions-Spitze hat gezeigt, dass sie durchaus zu moderner Politik in der Lage wäre, aber doch mehr Nutzen in der Pflege ihrer piefigen Vorurteile sieht. Man kann nur hoffen, dass das von den Wählern als Schwäche und nicht als Standhaftigkeit wahrgenommen wird.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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