Kommentar Gesundheitsstudie: Weniger Deskription wäre gesünder
Deutschland hinkt bei Prävention und Gesundheitsökonomie hinterher: Es würde sich lohnen, in einen nationalen Gesundheits-Survey zu investieren.
M ehrere Dutzend Wissenschaftler vom Robert-Koch-Institut haben drei Jahre lang 7.200 Menschen nicht nur nach ihrem individuellen gesundheitlichen Befinden befragt, sondern auch eingehend medizinisch untersucht, Blut- und Urinwerte inklusive. Herausgekommen ist eine dicke Studie, die auf den ersten Blick beeindruckt, weil man beim Lesen den Eindruck gewinnt, hier sei erstmals der Gesundheitszustand einer ganzen Nation erfasst worden, systematisch und kompetent. Endlich!
Denn Länder wie die USA haben schon vor vielen Jahren erkannt, dass es sich – Stichworte Prävention und Gesundheitsökonomie – lohnt, im großen Stil in epidemiologische Studien zu investieren, also in die Erforschung von Krankheitsursachen und ihren Risikofaktoren.
Deutschland hinkt in dieser Beziehung schlicht hinterher; und auch die RKI-Studie bleibt halbherzig. Die Analysen, sei es zu Diabetes, zu Übergewicht oder zu psychischen Krankheiten, bleiben auf der deskriptiven Ebene stecken. Wir erfahren, wer in welchem Ausmaß kränker geworden ist, aber das eigentlich Spannende, die Zusammenhänge nämlich zwischen den Risikofaktoren und den Ergebnissen sowie den Erkrankungswahrscheinlichkeiten darzustellen, bleibt Leerstelle.
ist Redakteurin im Inlandsressort der taz.
Das ist unbefriedigend, nicht nur, weil der Ansatz wissenschaftlich wenig innovativ ist; sondern auch, weil sich so kaum Schlüsse für gesundheitspolitisches Handeln, geschweige denn für ein Umdenken ziehen lassen. Oder, um es auf Talkshow-Niveau herunterzubrechen: Ist es etwa – lebensperspektivisch gesehen – gesünder, dick zu sein und Sport zu treiben? Oder lebt die schlanke Couchpotato länger?
Selbstverständlich wären die Wissenschaftler des RKI in der Lage, kausalepidemiologische Fragen zu beantworten. Es mangelt aber an Geld. Dabei würde es sich lohnen, für eine Aufwertung des nationalen Gesundheits-Surveys zu sorgen. Aber das ist keine wissenschaftliche, sondern eine politische Entscheidung.
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