Kommentar Geschlossenheit der GroKo: Gegen Erdoğan reicht's noch
Die Bundesregierung stellt sich gegen einen Auftritt des türkischen Präsidenten Erdoğan in Deutschland. Und sie macht keinen Hehl aus ihren Gründen.
D afür, dass diese Bundesregierung aktuell am Tiefpunkt ihrer Koalitionsbeziehung angelangt ist, macht sie außenpolitisch einen erstaunlich guten Job. Geschlossen haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) Recep Tayyip Erdoğan eine Absage erteilt. Der türkische Präsident wollte während seiner Reise nach Deutschland zum Hamburger G-20-Gipfel vor seinen AnhängerInnen sprechen. Die Bundesregierung hat das verboten. Präsident Erdoğan dürfte schäumen.
Erfreulich: Die Große Koalition macht keinen Hehl aus ihren Gründen. Statt sich hinter – durchaus berechtigten – Sicherheitsbedenken zu verschanzen, sagt Sigmar Gabriel, was Sache ist. Er halte Erdoğans Plan „für keine gute Idee“. Dessen Auftritt wäre angesichts der Konfliktlage, die es mit der Türkei gibt, „nicht angemessen“ und passe „derzeit nicht in die politische Landschaft“. Und außerdem: schöne Grüße von Angela Merkel. Es sind schon vorsichtigere diplomatische Noten aus dem Auswärtigen Amt Richtung Ankara gedrungen.
So was nennt man praktische Politik. Und die funktioniert offensichtlich, trotz des Riesenknatsches zwischen den Koalitionspartnern. An diesem Freitag nämlich werden Union und SPD maximal öffentlich demonstrieren, wie tief die innenpolitische Kluft zwischen ihnen nach vier Jahren Großer Koalition ist. Im Bundestag wollen die Sozialdemokraten mit der Hilfe von Linkspartei und Grünen die Ehe für alle durchpauken. Die riesige Unionsfraktion muss zuschauen, wie sich die Kleinen gegen sie verbünden. Was sich wie ein Koalitionsbruch anfühlt, ist mindestens ein „Vertrauensbruch“. Da hat Unions-Fraktionschef Volker Kauder schon recht in der Sache, und sei die noch so erfreulich.
Fragt sich, wie es nun weitergeht. Der Bundesregierung geht gerade die Puste aus. Und einem gekränkten Diktator wie Recep Tayyip Erdoğan käme ein innenpolitisches Vakuum gerade recht.
Und in Berlin gibt es nach dieser letzten Sitzungswoche und dem G-20-Gipfel nur noch: Wahlkämpfer. Gut möglich also, dass auch in diesem Sommer die Abgeordneten „nicht zu weit rausschwimmen“ sollten, wie das vor vier Jahren Bundestagspräsident Lammert geraten hat. Damals sollten sie über das Griechenland-Paket abstimmen. Im Wahlsommer 2017 könnte es um Außenpolitik gehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers