piwik no script img

Kommentar Geheimdienst MADSalamitaktik statt Aufklärung

Sebastian Erb
Kommentar von Sebastian Erb

Der Ministerialapparat hat offenbar nicht verstanden, was vollständige Aufklärung bedeutet. Es dürften weitere Details des Versagens im NSU-Fall bekannt werden.

E ine vollständige Aufklärung der rechtsextremen Mordserie hat die Bundesregierung versprochen, den Angehörigen der Opfer und der Öffentlichkeit. Lückenlos werde man die Umstände rund um die Verbrechen der Terrorzelle NSU ermitteln. Allein: Es fällt immer schwerer, dem Glauben zu schenken.

Zumindest der Ministerialapparat hat offenbar nicht verstanden, was vollständige Aufklärung bedeutet. Es bedeutet nicht nur das preiszugeben, was ohnehin nicht zu leugnen ist. Es bedeutet nicht, Anfragen möglichst eng zu deuten und wichtige Akten zu verschweigen.

Genau so sind die Behörden aber jetzt mit dem MAD-Kontakt zum späteren NSU-Mitglied Uwe Mundlos umgegangen. Es kommt dabei gar nicht darauf an, dass der Bundeswehr-Geheimdienst 1995 Mundlos als Informanten gewinnen wollte.

Sebastian Erb

ist Redakteur im Inlandsressort der taz.

Diese Information lag seit siebzehn Jahren einer Reihe von Behörden vor, erst Anfang 2012 machte der sächsische Verfassungsschutz sie nochmals darauf aufmerksam. Aber es musste jetzt erst ein Abgeordneter gezielt nachfragen, bis das Bundesamt für Verfassungsschutz eine Kopie der entsprechenden Unterlagen finden wollte. Und erst dann wurde öffentlich, dass das Amt noch mehr Akten zu einem mutmaßlichen NSU-Unterstützer geschreddert hat als bisher bekannt.

Die Bundesregierung müsste sicherstellen, dass Ministerien und Geheimdienste von sich aus alle entscheidenden Informationen auf den Tisch legen. Die Behördenvertreter missachten aber bislang die Arbeit der Untersuchungsausschüsse. Ihre Salamitaktik begünstigt Verschwörungstheorien. Aber auch wenn man denen nicht anhängt, muss man davon ausgehen, dass noch weitere erschreckende Details des staatlichen Versagens im NSU-Fall bekannt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Sebastian Erb
Reporter
Von 2011 bis April 2023 bei der taz. Zuletzt Reporter im Ressort Reportage & Recherche mit Schwerpunkt auf investigativen Recherchen. Er hat Sozialwissenschaften studiert und die Deutsche Journalistenschule in München absolviert. Themen u.a. Rechtsextremismus in Bundeswehr und Polizei (#Hannibal), Geheimdienste und Missstände in NGOs. Er gibt Seminare zur (Online-)Recherche. Sicher zu erreichen per Threema: 7D8P2XSV
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • A
    André

    Es wurde immer gesagt, dass keine staatliche Behörde Anwerbeversuche beim NSU-Trio unternommen habe. Nun wissen wir, dass es nicht stimmt, aber der MAD sagt, dies sei ja auch gar kein Anwerbegespräch gewesen.

    Mich würde es nicht wundern, wenn noch mehr 'Anwerbegespräch' ans Licht kommen. Bei der Spitzeldichte rund um Mundlos, Bönhardt und Zschäpe wäre es geradezu unwahrscheinlich, wenn eine Behörde nicht versucht hätte, an die Leute ranzukommen.