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Kommentar Gefangenentausch NahostZwei strahlende Sieger

Kommentar von Georg Baltissen

Die Befreiung Gilad Schalits dürfte der größte politische Triumpf des israelischen Premiers Netanjahu sein. Aber auch die Hamas wird feiern: Sie hat unnachgiebig verhandelt.

I sraels Ministerpräsident wird sich feiern lassen: Benjamin Netanjahu hat Gilad Schalit aus den Fängen der Hamas befreit und nach Hause geholt. Dies könnte der größte politische Triumph seiner Amtszeit sein.

In der Welt ist seine rechtsradikale Regierung isoliert, selbst engste Freunde aus Deutschland und den USA misstrauen seinen leeren Versprechungen. Statt Frieden mit den Palästinensern verfolgt er eine konfrontative Siedlungspolitik. Im Inland steht seine Regierung für soziale Kälte, die die elementaren Bedürfnisse der weniger Begüterten ignoriert und deren Proteste von der Straße räumt.

Da kommt die Heimkehr Schalits gerade recht. Das tragische Schicksal des gefangenen Soldaten hat die israelische Öffentlichkeit über Jahre in Atem gehalten. Es ist Netanjahu, der die Geschichte zu einem guten Ende gebracht hat. Damit kann er punkten.

GEORG BALTISSEN

ist Redakteur im Auslandsressort der taz.

Aber Netanjahu ist nicht der einzige Sieger im jahrelangen Poker um den Gefangenenaustausch. Auch die Hamas darf sich die Freilassung von mehr als 1.000 Palästinensern auf die Fahnen schreiben. Sie ist in den Verhandlungen hart geblieben und hat keine Abstriche gemacht. Das wird ihr in den Augen der Palästinenser hoch angerechnet.

Diese Aufwertung der Hamas dürfte Netanjahu mit einem Augenzwinkern hingenommen haben. Sie bedeutet nämlich de facto auch eine Schwächung der Präsidentschaft von Mahmud Abbas, der von ähnlichen Erfolgen meilenweit entfernt ist. Man kann in dem jetzigen Deal durchaus auch eine kräftige Ohrfeige sehen, die Netanjahu Abbas dafür erteilt, dass dieser von seinem Antrag auf Aufnahme in die UN nicht hat lassen wollen.

Die große Mehrheit der Israelis und Palästinenser dürfte aber zuallererst die Freilassung ihrer Gefangenen bejubeln. Wenigstens darin sind sich beide Völker einmal ähnlich.

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Auslandsredakteur
61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.
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6 Kommentare

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  • K
    Karl-Friedrich

    Es ist unglaublich nach SZ, Spiegel, FAZ nun die taz zu lesen: Als erstes wird natürlich erstmal krassestes Israel-Bashing betrieben (reachtsradikal, Austausch allein aufgrund medialer Propaganda, um Abbas zu schädigen) von diesem Krawattenherrn auf dem Foto, der mal ein paar Tage mit Hamas Führung oder im Gaza-Streifen zubringen sollte. Ich weiß nicht, ob man das schon leicht antisemitisch nennen kann. Aber, was steht dahinter? Welcher Hass auf Israel? Das nicht erwähnt wird, dass unter den über 1000 palästinensischen Freigelassenen mehrere Bombenattentäter (mit zig Toten), Terroristen und Mörder drunter sind? Warum wird nicht auf die mediale Inszenierung des Austauschs unter Hamas hingeweisen?

  • T
    Toby

    Ein israelischer Soldat ist so viel wert, wie tausend Palästinenser? Ein Palästinenser kostet also nur einen tausendsten Israeli? Wenn man bedenkt, daß man eine geile Blondine vermutlich irgendwo schon für sehr viel weniger, als tausend Kamele bekommt (wer trägt schon immer tausend Kamele mit sich rum?), kann man nun grob abschätzen, wieviele Palästinenser man für ein Kamel bekommt und wie der Wechselkurs von Israelis zu Blondinen aussehen könnte.

    Vor dem Hintergrund kann es nicht verwundern, daß ein palästinensicher Staat international keinen Wert hat. Im Westjordanland und dem Gazastreifen leben ca. 3,7 Millionen Palästinenser. Weltweit vielleicht 9,4 Millionen. Berge von fipsigem Kleingeld! Denen entsprechen gerade mal 9.400 Israeils. Und wer wirklich clever ist, nimt die Blondinen. Die kriegt man zur Not in einem größeren Schullandheim unter und hat unterm Strich genau so viel Kamele.

  • HK
    Henner Kroeper

    Als Palestinenser würde ich mich darüber nicht so sehr freuen. Jetzt kann die Israelische Regierung den Gazastreifen in Walhalla Rechthaberei ähnlich der Nato in Libyen platt bomben.

  • K
    Kai

    Einer der israelischen Geheimdienstchefs sagte bereits, Israel habe nicht versprochen, die nun frei zulassenden nicht auf andere Art "auszuschalten". Was als Tötung, also Ermordung, interpretiert wird.

  • S
    Stefan

    Das musste ja nochmal explizit erwähnt werden, dass die israelische Regierung unter Netanjahu "rechtsradikal" sei, während die Hamas einfach nur die Hamas ist. Nix weiter, kein Terroristenregime, kein Juden-Vernichtungs-Verein, keine faschistoiden Menschenschinder und Frauenunterdrücker, nein ... das alles fällt dem Autor nicht ein. Aber der Demokrat Netanjahu ist rechtsradikal und international isoliert. Gut, dass wir drüber geredet haben.

  • M
    Mark

    Die PVV ist rechtsextrem, die israelische Regierung ist rechtsradikal. Die taz sollte mal etwas weniger populistisch sein!