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Kommentar GefangenenaustauschDie drei Sieger

Kommentar von Susanne Knaul

Die Befreiung Schalits wird Netanjahu von seinem Volk hoch angerechnet. Sie wird beim nächsten Wahlkampf wichtig sein, wenn die Terroristen nicht erneut bomben.

F ür Benjamin Netanjahu hätte der Gefangenenaustausch nicht besser laufen können. Die Bilder des vor dem Regierungschef salutierenden Soldaten und die des Premiers an der Seite von Vater und Sohn Schalit sind goldwert. Auch wenn die gelungene Geiselbefreiung Netanjahu nicht von den zu Hause drängenden sozialen Problemen befreit: Israels Regierungschef schlägt daraus Profit.

Die Befreiung Schalits wird Netanjahu von seinem Volk hoch angerechnet. Sie wird auch beim nächsten Wahlkampf noch eine Rolle spielen - vorausgesetzt, die eben auf freien Fuß gesetzten Terroristen lassen vom gewaltsamen Kampf gegen die Besatzung ab. Sollte es jedoch zu einer neuen Welle von Bombenanschlägen und israelischen Terroropfern kommen, wird die Stimmung in Israel umschlagen - gegen Netanjahu und gegen die Familie Schalit.

Der Handel von 1.027 palästinensischen Häftlingen für eine israelische Geisel ist vermutlich Teil eines Abkommens. Schon ist von einer Lockerung und gar dem Ende der Blockade Gazas die Rede. Umgekehrt dürfte sich die Hamas gegenüber Israel dazu verpflichtet haben, Sorge dafür zu tragen, dass die Entlassenen nicht zum Terror zurückkehren. Das Abkommen bricht also ansatzweise den gegenseitigen Boykott auf, an dem Israel und die Hamas offiziell noch festhalten.

Bild: privat
SUSANNE KNAUL

ist Korrespondentin der taz und berichtet aus Israel.

Die Hamas ist politisch so stark wie nie zuvor. Die Bilder der heimkehrenden Häftlinge stellen den Auftritt von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas bei der UN-Generalversammlung in den Schatten. Der gewaltsame Kampf der Islamisten erweist sich als effektiver als der Versuch, den Prozess per friedlichen Dialog voranzutreiben. Dennoch könnte die Hamas gerade aufgrund der großen Popularität im Volk jetzt flexibler auf die Fatah und schließlich auch auf Israel zugehen. Zentraler Knackpunkt ist die offizielle Abkehr von der Gewalt, die die Islamisten de facto doch längst praktizieren.

Ägypten schließlich wirkte bei den Verhandlungen vermittelnd. Damit hat die Übergangsregierung in Kairo gezeigt, dass sie trotz aller innenpolitischer Probleme über die eigenen Grenzen hinaus eine wichtige Rolle spielen kann. Ägypten hat zudem ein starkes Interesse daran, den moderaten Kräften im Gazastreifen den Rücken zu stärken. Denn ein erneuter militärischer Konflikt zwischen Israel und der Hamas würde die Beziehungen Kairos zu Jerusalem und damit auch zu den USA belasten.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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7 Kommentare

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  • SM
    Stefan M. Weber

    Gestern früh kommentierte ich den unsäglichen Kommentar von Frau Knaul an dieser Stelle wie folgt:

     

    ‎"Vermutlich", "könnte", "dürfte", "sollte", "würde"... Ein toll-investigativer, faktengesättigter Kommentar von SUSANNE KNAUL gleich auf der Titelseite der heutigen taz, bis hin zur hanebüchenen, fassunglos machenden Behauptung von der "Abkehr von der Gewalt, die die Islamisten de facto doch längst praktizieren". Wie wird man eigentlich NahOst-KorrespondentIn bei der taz? Mit Stöckchenziehen? Per Auszählreim??

     

    Gerne würde ich den Grund erfahren, weshalb dieser Kommentar hier nicht zu lesen ist! Geht Ihr öfter so mit Euren LeserInnen (und AbonnentInnen)um??

  • S
    Stefan

    "[...]die offizielle Abkehr von der Gewalt, die die Islamisten de facto doch längst praktizieren." ???

    Und dann noch die "Moderaten"???

    Wird hier eine Terror-Organisation niedlich geredet?

     

    Darüber hinaus würden neue Attentate nicht Bibi schaden sondern der Hamas. Die israelische Bevölkerung hat sich aus Anstand zu diesem bitteren Deal bekannt. Beim nächsten Bleigießen muss niemand mehr Rücksicht auf Shalid nehmen, weil er zuhause ist. Egal, wie sich Israel verhält, eine Verurteilung durch die UN bekommen sie sowieso und der nächste Goldstein-Lügner sitzt sicher schon in den Startlöchern. Natürlich wird sich die israelische Armee weiterhin an ihren hohen moralischen Kodex halten, aber eine nächste Aktion wird nicht so schnell abgebrochen werden müssen.

  • G
    Guenter

    Zwar kein Kommentar zu der nüchternen Analyse von Frau Knaul aber seit 42 - Jahren tagesaktuell:

     

    Jean Amery von 1969:

     

    http://www.comlink.de/cl-hh/m.blumentritt/agr248.htm

  • E
    end.the.occupation

    >> Die Befreiung Schalits wird ... auch beim nächsten Wahlkampf noch eine Rolle spielen - vorausgesetzt, die eben auf freien Fuß gesetzten Terroristen lassen vom gewaltsamen Kampf gegen die Besatzung ab.

     

    Wenn msn sich vergegenwärtigt, dass die Machthaber Israels seit der Gefangennahme Shalits rund 2000 Bewohner Gazas umgebracht haben - darunter mindestens 400 Minderjährige - und dass Frau Knaul das höchstselber entweder mit vertuscht oder gerechtfertigt hat - was soll man noch sagen, zu ihrer unbegrenzten Heuchelei?

     

    An ihr journalistisches Ethos oder ihre Humanität appellieren?

  • H
    Harald

    Angesichts diesen naiven und unpolitischen Kommentars kann sich der Beobachter nur wundern, wenn es stellvertretend heißt:

     

    "Zentraler Knackpunkt ist die offizielle Abkehr von der Gewalt, die die Islamisten de facto doch längst praktizieren."

     

    Der Rückgang der Terroranschläge verdeutlicht nicht den Friedenswillen der Islamisten, sondern das hohe Niveau der israelischen Terrorabwehr. Die über 1000 Raketen und Mörser auf Israel allein in diesem Jahr als "Abkehr von der Gewalt" zu verniedlichen, macht sprachlos.

     

    und weiter

     

    " Ägypten hat zudem ein starkes Interesse daran, den moderaten Kräften im Gazastreifen den Rücken zu stärken. ... "

     

    Moderat bedeutet:

     

    9 Ägypter greifen nahe Eilat israelische Zivilisten an und töten etliche

    Ein Mob des ägyptischen Winters stürmt und demoliert die israelische Botschaft

    Die ägyptische Regierung stellt demonstrativ den Friedensvertrag mit Israel in Frage

    Erdogan hält in Kairo eine umjubelte Kriegshetz-Rede gegen Israel

     

    In Israel geht es nicht um Netanjahu, sondern um Frieden in Sicherheit und Freiheit.

    Dafür sind die 1000 nunmehr ein gewaltiges Friedenspfand.

     

    " Sollte es jedoch zu einer neuen Welle von Bombenanschlägen und israelischen Terroropfern kommen, wird die Stimmung in Israel umschlagen ... "

    und zwar wird sich Israel hinter Netanjahu sammeln und der Hamas Schläge beibringen, welche diese noch nicht erlebt haben.

  • MG
    Marco Grandmann

    Ein Zyniker wuerde sagen : Netanyahoo ist noch sauer auf Abbas weil der die Frechheit hatte tatsaechlich einen eigenen Staat zu fordern. Sein Deal hat Hamas gestaerkt. Die Palestinenser werden bald waehlen und unter diesem Deal wird Hamas Zuwachs verzeichnen. Eine gestaerkte Hamas aber kann von Netanhuhu als Gespraechspartner mit Einverstaendnis von Hot-Air-Obama abgelehnt werden und somit sind Friedensgespraeche wieder einmal vom Tisch und Israel kann wieder einmal mit dem Finger auf die Palestinenser zeigen.

    Da wir aber keine Zyniker sind ist ein derart verdrehtes Denkmuster wirklich ausser Frage, oder?

  • S
    Schulz

    Wenn es keine Kriege gaebe, wuerde es keine Gefaengnisse geben?

    Wenn es keine Kriminalitaet gaebe, wuerde es keine Gefaengnisse geben?

    Wenn es keine Ungerechtigkeit gaebe, wuerde es keine Gefaengnisse geben?

     

    Natuerlich freue ich mich ueber das Ende der Gefangenschaft von Gilad Schalith,

    auch die anderen 1027 werden sich freuen,

    frei zu sein.