Kommentar Gefahrengebiet Schanze: Untaugliche Maßnahme
Es schien, als würde das Fest problemlos über die Bühne gehen, nun setzt die Polizei doch auf den Ausnahmezustand
E s war schon zu ruhig, so dass man hätte stutzig werden müssen. Keine der üblichen Diskussionen, ob die Stadt es dulden könne, dass die AnwohnerInnen ihr traditionelles Schanzenfest ohne Anmeldung feiern. Kein Politiker, der das Griechenland-Motto des Schanzenfestes angesichts des sozialen Kahlschlags im eigenen Lande infrage stellte. Es schien alles so, als würde das diesjährige Fest problemlos über die Bühne gehen.
Mit ihrer erneuten Eskalationsstrategie versetzt die Polizei das Schanzenviertel zumindest für die Abendstunden des 25. Augustes in den Ausnahmezustand – und nimmt Menschen wegen ihres Aussehens, der szenetypischen Kleidung oder dem Migrationshintergrund ins Visier. Dabei wissen die Polizeistrategen genau, dass mit dem Mittel des Gefahrengebietes keine politisch unmotivierten Krawalle verhindert werden können. Und das Schanzenfestival gegen Mietenwahnsinn im Oktober vorigen Jahres hat gezeigt, dass Tausende auch ohne Polizeiaufsicht friedlich feiern können – und anschließend sogar die Straße fegen.
Politisch pikant ist, dass die Polizei zwei Tage, bevor sich das Verwaltungsgericht mit der Rechtmäßigkeit des Instrumentariums befassen wird, noch mal ein Gefahrengebiet ausruft – als ob die Polizeiführung davon ausgeht, dass dies vielleicht die letzte Gelegenheit ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland