Kommentar Gazprom-Streit: Inszenierte Panik
Tatsächlich zeigt der Streit zwischen dem russischen Konzern Gazprom und der Ukraine, wie sicher die europäische Gasversorgung ist. Dennoch ist es durchaus sinnvoll, Alternativen zu haben.
R ussland dreht den Gashahn zu! Da ist die Aufregung natürlich groß. Vor allem bei denjenigen, die offenbar jede Gelegenheit nutzen, um ihrer Lobby das Wort zu reden und entsprechend der Kohle oder Atomkraft den Vorzug geben. Katherina Reiches (CDU) jüngste Forderung nach längeren AKW-Laufzeiten ist hierfür nur ein Beispiel.
Malte Kreutzfeldt leitet das Ressort Ökologie und Wirtschaft.
Tatsächlich zeigt der Streit zwischen dem russischen Konzern Gazprom und der Ukraine, wie sicher die europäische Gasversorgung ist. Denn trotz der politischen und wirtschaftlichen Streitfragen versichern die beiden opponierenden Staaten unisono, dass die Lieferungen nach Westeuropa keinesfalls eingeschränkt werden sollen.
Das ist nachvollziehbar. Denn die Ukraine braucht die Einnahmen aus dem Gas-Transfer ebenso wie ein gutes Verhältnis zum Westen. Und Russland, das 80 Prozent seiner Rohstoffe nach Westeuropa verkauft, ist viel stärker auf zuverlässige Lieferungen an die EU angewiesen als umgekehrt. Deutschland etwa bezieht nur gut ein Drittel seines Gases aus Russland; der Rest stammt von EU-Nachbarn und aus heimischen Quellen.
Obwohl die Versorgung mit russischem Erdgas derzeit nicht gefährdet ist, ist es durchaus sinnvoll, Alternativen zu haben. Zumal die europäische Förderung langfristig zurückgehen wird und die weitere politische Entwicklung in Russland nicht vorhersehbar ist. Zu solchen Alternativen gehört allerdings nicht die ökologisch wie politisch umstrittene Ostsee-Pipeline, denn auch diese würde ja nur russisches Gas liefern. Effektiver wäre es für die EU, die Nabucco-Pipeline voranzutreiben, mit der Gas aus der Region des Kaspischen Meers direkt nach Europa gelangen würde. Auch der in Deutschland bisher vernachlässigte Bau von Flüssiggas-Terminals, mit denen Gas aus entfernteren Regionen per Tankschiff angeliefert werden kann, würde helfen, Abhängigkeiten zu verringern.
Viel spricht dafür, mehr und neue Lieferanten für Erdgas zu suchen, doch es wäre falsch, aufgrund der aktuellen Probleme Erdgas als solches zu diskreditieren. Bis zum überwiegenden Umstieg auf erneuerbare Energien wird Erdgas eine zentrale, unersetzbare Energiequelle bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück