piwik no script img

Kommentar GazastreifenDie Blockade muss enden

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Die durch den verbrecherischen Einsatz des israelischen Militärs gestoppte Solidaritätsflottille hat erreicht, dass über den Gazastreifen geredet wird. Das reicht aber nicht.

W enigstens eines hat die Gaza-Solidaritätsflottille, die durch den verbrecherischen Einsatz des israelischen Militärs gestoppt wurde, erreicht: Nach Jahren der Vernachlässigung und Verdrängung ist das Schicksal der 1,5 Millionen Menschen, die quasi als Israels Gefangene im Gazastreifen leben, endlich wieder in den Fokus internationaler Aufmerksamkeit gerückt.

Von Berlin bis Washington verlangen jetzt auch westliche Politikerinnen und Regierungschefs, humanitäre Lieferungen in den Gazastreifen uneingeschränkt zuzulassen. Doch das reicht nicht aus: Vielmehr muss die völkerrechtswidrige Blockade, mit der Israel den Gazastreifen seit dem Abzug seiner Besatzungssoldaten stranguliert, umgehend vollständig aufgehoben werden.

Bislang haben die USA sowie - auf maßgebliches Betreiben der deutschen Regierung - auch die Europäische Union diese Blockade unterstützt. Das Kalkül, auf diese Weise die Hamas im Gazastreifen zu schwächen, war von Anfang an unmoralisch, weil es das Leiden der Bevölkerung in Gaza bewusst in Kauf nahm. Es ist aber auch gescheitert, weil die Blockade nicht nur die Hamas, sondern sogar noch radikalere islamistische Gruppen gestärkt hat.

Bild: kristin flory

Andreas Zumach ist Korrespondent der taz in Genf.

Diese fatale Dynamik lässt sich nur durch einen freien Waren- und Personenverkehr zum Gazastreifen umkehren. Zugleich muss, um Waffenlieferungen zu unterbinden und die israelischen Sicherheitsbedürfnisse zu befriedigen, entlang aller Land- und Seegrenzen eine UNO-mandatierte Polizei- oder Blauhelmtruppe mit einem starken US-amerikanischen Kontingent stationiert werden.

Doch selbst nach dem blutigen Drama im Mittelmeer scheinen die Regierungen der USA und der EU-Staaten zu einer solchen Korrektur ihrer bisherigen Politik noch immer nicht bereit zu sein. Das zeigt der Beschluss des UN-Sicherheitsrats, der auf Druck der USA wieder einmal windelweich ausgefallen ist.

Israels Premier Netanjahu dürfte richtig liegen, wenn er glaubt, dass US-Präsident Obama zumindest vor den Kongresszwischenwahlen im November seine Haltung zum Gazastreifen nicht mehr ändern dürfte. Doch damit stehen die Zeichen im Nahen Osten auf Eskalation. Den Toten und Verletzten vom letzten Sonntag dürften daher bald viele weitere folgen - im Mittelmeer, im Gazastreifen, dem Westjordanland und auch im israelischen Kernland selbst.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • JR
    Josef Riga

    Der Autor hat völlig recht! aber wie soll es mit den Palästinensergebieten weitergehen? Sie können keinen eigenen Staat bilden, deshalb hat Israel die Aufgabe, sie in seinen Staat zu integrieren und ein Staat für beide Völker zu werden. eine andere Lösung ist nicht (mehr) machbar.

    Ein-Staaten-Lösung wie in Südafrika! Keine Apartheid mehr, kein Zionismus!

  • NR
    Norman Rae

    Mit Ihrem letzten Teilsatz antizipieren und - im Subtext - rechtfertigen Sie Terroranschläge in Israel.

  • MD
    Mick DiFoslems

    Na toll, eben wollte ich die Seite der NPD aufrufen, vertippte mich und landete bei der taz. Es hat eine geschlagene halbe Stunde gedauert, um den Unterschied zu bemerken. Die Inhalte sind fast identisch, das bräunliche Layout ebenfalls - wie soll man sich denn da wirklich zurecht finden?

    Und dann auch noch Genosse Zumach: rafiniert, den Kommentar in der taz zu schreiben. Hätte er ihn auf der NPD-Homepage plaziert, müßte er mit einer Anklage wegen Volksverhetzung rechnen.

  • D
    David

    "Doch damit stehen die Zeichen im Nahen Osten auf Eskalation. Den Toten und Verletzten vom letzten Sonntag dürften daher bald viele weitere folgen - im Mittelmeer, im Gazastreifen, dem Westjordanland und auch im israelischen Kernland selbst."

     

    Aha, und vorher war das ganz anders, was waren denn die Gründe für den übrigen Terror gegen Israel, seit 1948?

     

    Absurde Sichtweise.

  • HF
    Hans Fleischer

    Ihren Kommentar hier eingeben

    Israel gegen den Rest der Welt. Ich bin 1938 geboren und genieße, wie Helmut Kohl einst sagte : Die Gnade der späten Geburt, habe aber als Kind die Kriegsnachwirkungen bewußt mitbekommen. Ich war und bin immer noch entsetzt über das was den Juden im 2. Weltkrieg angetan wurde. Aber nun muß ich sagen, jedes Volk hat letztlich die Regierung, die es verdient. Das was die Israelische Regierung mit ihrem Verhalten der letzten Jahre seinemn Volk und den Nachbarn angetan hat und weiterhin antut, läßt mich erschauern. Kein vernünftig denkender Mensch wird der israelischen Regierung noch moralisch begründete Urteile abkaufen noch sich Vorhaltungen über das das historische oder gegenwärtige Fehlverhalten gefallen lassen!

    Israel schäme Dich!

  • S
    Sche

    Über 30.000 LKW mit Hilfsgütern sind in 2009 in den Gaza Streifen gefahren!

    Komische Blokade

    Wer kontrolliert bei Aufgabe der Kontrolle durch Israel den gaza Streifen? Die Hamas?

    Warum sollte Israel unkontrolliert Waren in den Gaza Streifen lassen?

    Wer verhindert, dass die Hamas kräftig aufrüstet und den nächsten Krieg vorbereitet?

    Und ob das völkerrechtswiedrig ist oder nicht, ist Israel wahrscheinlich völlig egal, solange seine nachbarländer nicht müde werden zu betonen, Israel muss von der Landkarte verschwinden.

    Wenn Sie Frieden in der Region wollen, vordern Sie auch Zugeständnisse der Araber.

  • A
    alex

    dieser kommentar ist in seiner blindheit wirklich die höhe. den kampf gegen die hamas als unmoralisch zu bezeichnen, also den kampf gegen fundamentalistische faschisten, zeugt von einer geistigen umnachtung die schon beachtlich ist. kein israeli hat die araber in gaza gezwungen die hamas zu wählen oder raketen nach israel abzufeuern. so lange die "kommentatoren" der taz das nicht realisieren und in ihr vokabular aufnehmen, werden die texte dünn, tendenziös, altlink und irrelevant bleiben.

  • T
    tazleser

    DIe Hassprediger der Hasbara-Brigaden werden über SIe herfallen - genau wie über Ihren Kollegen Reinicke. Danke für den Beitrag.

  • R
    Rosemarie

    Vielen Dank für den sachlichen und informativen Kommentar.

    Ich möchte ergänzen, dass die Gruppierung :Jüdische Stimme für den gerechten Frieden in Nahost e.V. ein

    jüdisches Schiff nach Gaza schicken will.

    Werden israelische Soldaten dann das jüdische Schiff mit Hilfsgütern angreifen ?

    Werden die begleitenden Bundestagsabgeordneten und die Journalisten auch als Terroristen behandelt ?

    Von der deutschen Regierung erwarte ich klare Forderungen an den israelischen Staat :sofortige Freilassung der Aktivisten sowie die Freigabe der Schiffe und der Hilfsgüter für Gaza.