Kommentar Gauck und Sexismusdebatte: Mehr Mann als Präsident
Chauvi Gauck: Die KritikerInnen redeten über Brüderle ja nur, weil sie zu denkfaul wären, um sich komplizierten Themen anzunehmen – meint der Ex-Pfarrer.
J etzt hat sich auch der Bundespräsident in die Sexismusdebatte verstrickt. Prima. Mit seinen arroganten Äußerungen zum „Tugendfuror“ einiger weniger verschafft er dem Thema Alltagssexismus erneut Aufmerksamkeit, dabei ist ihm genau diese ein Ärgernis.
Und zwar ein so großes, dass er mal eben vergisst, präsidial alle Seiten verstehen und zur Vernunft rufen zu wollen, und Partei ergreift. Die KritikerInnen redeten über Brüderle ja nur, so behauptet der Ex-Pfarrer, weil sie zu denkfaul wären, um sich komplizierten Themen anzunehmen. Stichwort Mali.
Gauck spricht hier vor allem als Mann, der seinen Eigenwert gewohnheitsmäßig über die Abwertung von Frauen oder vermeintlichen Frauenfragen absichert. Ich sage, was wichtig ist! Was ich nicht als Problem „erkennen“ kann, ist kein Problem.
ist Leiterin des taz-Meinungsressorts.
Doch das gute alte Muster der männlichen Herrschaft – der Mann als Maß – funktioniert nicht mehr so gut: Die als geschwätzig gelabelten Kritikerinnen lancieren medienwirksam einen öffentlichen Brief. Sexismus bleibt auf der Agenda. Mit Mali und dem Papst.
Die nicht ganz so gute Nachricht: Die Autorinnen schreiben, sie wären ob der Gauckschen Äußerungen „verblüfft und erschüttert“. Wieso denn das? Die Kritik an illegitimer Ausübung von Macht zu verniedlichen, ist traditioneller Bestandteil von Chauvinismus. Und Deutschland ist nicht halb so emanzipiert, wie es glaubt zu sein.
Dieses tief verankerte Missverständnis macht die Sexismusdebatte nun transparent. Anders als die Unterhaltungsindustrie mit starken Frauenfiguren suggeriert: Gleichberechtigung ist nicht der Fall, sondern eine Behauptung. Wir sind noch mittendrin. Aber die Deutungshoheit der alten Garden schwindet im digitalen Zeitalter. Das ist die Chance.
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