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Kommentar G-8-GipfelG-8 und der große Rest der Welt

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Das Gipfeltreffen der acht mächtigsten Nationen verliert an Bedeutung. Die Schwellenländer haben ihre eigenen Stimmen und melden sich in der G-20-Runde zu Wort.

D as waren noch Zeiten, als die Empörten der Erde vor G-8-Gipfeln gegen die Reichen und Mächtigen demonstrierten, die hinter Stacheldraht und Polizeiketten heimlich das Schicksal der Welt auskasperten. Dieses Jahr ist das Gipfeltreffen der sieben mächtigsten Industrienationen plus Russland im französischen Deauville offenbar so unwichtig, dass es nicht einmal mehr ordentliche Gegenveranstaltungen gibt. Und nicht das Wachstum der Weltwirtschaft wird kontrovers diskutiert, sondern das von Carla Bruni-Sarkozys Bauch.

Der Bedeutungsverlust ist nicht nur eine Sache von Zahlen, auch wenn die eindeutig sind: 1993 machte das gesammelte Bruttoinlandsprodukt der G-8-Nationen stolze 68,5 Prozent der Weltwirtschaftsleistung aus, 2010 nur noch 42,5 Prozent. Es ist auch eine Frage des Gefühls: China, Indien und andere Schwellenländer sind längst ebenbürtig; Lateinamerika und Afrika und auch die arabische Welt werden selbstbewusste Akteure mit eigenständigen Stimmen.

Die fünf Sechstel der Menschheit, die keine Weißen sind, suchen nicht mehr nur ihren eigenen Weg; sie finden ihn auch. Da können G-8-Gipfel die Welt nicht mehr regieren. Sie können nur noch Angebote unterbreiten: Milliardenhilfen hier, Verhandlungspositionen dort. Die Realisierung wird woanders besprochen, zum Beispiel in der G-20-Runde, die seit zwei Jahren die G 8 als wichtigstes Forum zur Diskussion globaler Zusammenhänge abgelöst hat.

Bild: taz
Dominic Johnson

DOMINIC JOHNSON ist Leiter des Auslandsressorts der taz.

Über Jahre wurde beklagt, ein schwerfälliger G-8-Gigantismus sei an die Stelle der ursprünglichen informellen Kamingespräche zwischen Mächtigen getreten. Aber wenn es so weitergeht, können die G-8-Führer bald wieder in trauter Runde im Wohnzimmer zusammensitzen - in der Gewissheit, dass die anderen 184 Länder der Welt sich dafür nur ganz am Rande interessieren.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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3 Kommentare

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  • H
    hto

    GEGENVERANSTALTUNG - wir brauchen jetzt eine Veranstaltung von Kommunikation wie der Versuch in Spanien, GRENZÜBERGREIFEND!!!!

     

    Geschissen auf die Plattformen der "Treuhänder" des Systems, an denen sich nur opportunistische Populisten laben - mit denen sollte niemand mehr irgendwie reden!!!

  • S
    SusaZ

    Tunesien verfügt über eine hohe Arbeitslosigkeit. Insbesondere bei Akademikern ist die Arbeitslosenquote signifikant hoch. Es wird geschätzt, dass rund 30 bis 40 Prozent der Jugendlichen keiner Erwerbstätigkeit nachgehen; trotz guter Ausbildung, hohem Bildungsstand und ausgeprägter Motivation zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Der G-8-Gipfel in Deauville hat dieses Problem erkannt und richtig entschieden - Tunesien und Ägypten hilft man erst dann, wenn deren Volkswirtschaften am Wachsen sind. Jedoch sollte sich der Westen und Russland zu einem Bruch mit ihren Ex-Verbündeten Ben Ali, Mubarak & Co. bekennen.

  • E
    Empörte

    Liebe TAZ-Redaktion,

     

    Es finden sehr wohl Gegenveranstaltungen statt, die jedoch ein dezentrales Konzept verfolgen, also nicht in Deauville stattfinden, sondern in verschiedenen Großstädten, so z.B. Berlin, Hamburg, Kiel und Köln.