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Kommentar FuttermittelDas System ist kaputt

Kommentar von Svenja Bergt und Svenja Bergt

Die Lebensmittelskandale in Deutschland nehmen zu. Es sind Symptome, die zeigen, dass die Produzenten für Gewinnmaximierung alles tun.

Die Nase im Mist: Wenn es mit den Eigenkontrollen der Branche nicht klappt, muss der Staat ran. Bild: dpa

P ferdefleisch in der Rinderlasagne, Käfigeier, bei denen „Freiland“ draufsteht, und nun auch noch krebserregende Schimmelpilze im Tierfutter. Die Lebensmittelskandale kommen zurzeit mit einer derartigen Häufung ans Licht, dass man geneigt ist, zu sagen: Ist doch egal, was auf den Tisch kommt, wahrscheinlich ist eh irgendetwas Ekliges, wenn nicht sogar Gesundheitsgefährdendes drin.

Doch das wäre zu kurz gegriffen. Denn die jüngsten Skandale sind Symptome eines kaputten Systems. Eines Systems, in dem genug Produzenten bereit sind, für Gewinnmaximierung über Leichen zu gehen – siehe die in regelmäßigen Abständen auftauchenden Bilder von in Mastbetrieben verendeten Tieren.

Es ist ein System, in dem Behörden mit den notwendigen Kontrollen nicht hinterherkommen, weil es an Geld und Personal fehlt. Und natürlich ein System, in dem die Verbraucher daran gewöhnt sind, das Pfund Hackfleisch für weniger als 2 Euro zu bekommen – schließlich soll am liebsten täglich Fleisch auf den Tisch. Mit den bekannten Folgen.

Um das zu verändern, braucht es einen Beitrag von allen Seiten. Daher zuerst die schlechte Nachricht für die Produzenten: Wenn es mit den Eigenkontrollen nicht klappt, muss eben der Staat ran und das Geld dafür bei den Herstellern einsammeln.

Svenja Bergt

ist Redakteurin im Wirtschaftsressort der taz.

Folglich, und das ist die schlechte Nachricht für die Politik, muss diese sich in der lobbystarken Branche unbeliebt machen und höhere Strafen, strenge Kontrollen und Haltungsvorschriften durchsetzen.

Und – das ist die schlechte Nachricht für den Verbraucher – der Konsument sollte im Supermarkt öfter den Kopf einsetzen. Nicht um sich an den Einkaufszettel zu erinnern, sondern um hinter dem Hackfleischpreis das System zu sehen. Vielleicht macht der Gedanke an Pferdefleischlasagne das ein bisschen leichter.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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13 Kommentare

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  • E
    Eulenspiegel

    Wie der Herr so's Gescherr! Wer die Obrigkeit nicht für voll nimmt, der macht was er will.Die lächerlichen Bußgelder haben die bereits durch dutzendfachen Betrug erwirtschaftet und einkalkuliert. Urteile, die nicht abschrecken, sind keine.Agrar-Subventionen und davon Spenden an die Pareien-, passt das nicht wunderbar zusammen?Ist das "des Pudels Kern" warum die Skandale sich häufen?

  • DB
    DJ Boemerang

    Sehr geehrte Frau Bergt,

     

    Sie schreiben:

    (...)"Und – das ist die schlechte Nachricht für den Verbraucher – der Konsument sollte im Supermarkt öfter den Kopf einsetzen. Nicht um sich an den Einkaufszettel zu erinnern, sondern um hinter dem Hackfleischpreis das System zu sehen."(...)

     

    Blicken wir mal hinter das System: Im Jahresbericht ZDF 2013 Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (Verbandsbio, Nicht Bilig-Bio) steht auf auf Seite 19, das der grössere Teil der Verbands-Bio-Rinder als konventionelle Ware verkauft wird:

     

    (...)"Mit den Preisanstiegen für konventionelle Produkte können die Bio-Preise nicht mithalten. So hat sich der Preisabstand weiter verkleinert. Trotzdem dürften größere Teile der Bio-Rinder auf dem Bio-Markt gelandet sein, die in vergangenen Jahren häufig konventionell vermarktet wurden. "(...)

     

     

     

    http://www.boelw.de/uploads/media/pdf/Dokumentation/Zahlen__Daten__Fakten/ZDF_2013_Endversion_01.pdf

     

    Kann man auch hier lesen:

     

    13.04.2012 (AMI)(...)"So werden immer wieder Tiere von „fliegenden“ Viehhändlern, die ohne Abschläge „Geld auf die Hand“ zu bieten, aufgekauft, die dann dem Bio-Markt nicht mehr zur Verfügung stehen. "(...)

     

     

    http://www.ami-informiert.de/ami-maerkte/ami-weitere-maerkte/ami-maerkte-oekolandbau/meldungen/meldungen-single-ansicht/article/bio-rinderpreise-angezogen.html

     

     

    Oder hier:

    26.07.2012

     

    Bio-Rinder gesucht

    Der Lebensmittelhändler Feneberg sucht Öko-Mastfärsen und -ochsen für den Einzelhandel aus Bayern und Baden-Württemberg.

     

    Die Firma Feneberg ist eine private Supermarktkette, die 80 Filialen überwiegend im Allgäu betreibt.

     

    http://www.bioland.de/erzeuger/beratung/landbau-aktuell/news/article/1775.html

  • DB
    DJ Boemerang

    Sehr geehrte Frau Bergt.

     

    Da Sie hier den Verbraucher ansprechen, wäre ja die Frage zu stellen, was bekommt der Bio-Bauer von den hohen Preisen des Handels ab.

     

    Die Antworten finden sich im Web.

     

     

    Gehen Sie bitte hier auf Seite 13, Schlachtrinder HKL R Bio & Konventionell:

     

     

    http://www.boelw.de/uploads/pics/ZDF/ZDF_Endversion_120110.pdf

     

    Durchaus überdenkenswert ist diese Meldung:

     

    (...)"12.12.2011 (AMI) Die Bio-Rinderpreise sind im Oktober auf hohem Niveau stabil geblieben. Allerdings sind die konventionellen Preise weiter in die Höhe geschossen, so dass bei Jungbullen Bio und konventionelle Preise im Oktober auf exakt dem gleichen Niveau liegen.

     

    Bei Färsen wurden immerhin noch Aufschläge um 20 Cent/kg erzielt. Bei Kühen liegt der Preisabstand

    um 25 Cent/kg."(...)

     

    Komplett hier:

     

     

    http://www.ami-informiert.de/ami-maerkte/ami-weitere-maerkte/ami-maerkte-oekolandbau/meldungen/meldungen-single-ansicht/article/preisabstand-zwischen-bio-und-konventionellen-rindern-weiter-verkleinert.html

     

    Das der Handel sehr ungern die hohen Preise weitergibt,[(...)"Bioland-Landwirte fordern vermehrt eine höhere Auszahlung auch im Hinblick auf die steigenden Futterkosten aufgrund der Trockenheit. Bisher halten sich die Abnehmer jedoch zurück."(...)] lesen Sie bitte hier:

     

    http://www.bioland.de/verarbeiter/news/article/1257.html

     

     

    oder hier:

     

    http://www.bioland.de/verarbeiter/news/article/1424.html

  • FG
    freier Geist

    Ja, das System ist kaputt, das ganze System.

    Die Art, wie wir uns ernähren oder wie nicht, ist nur ein kleines Symptom unseres ganzen kaputten Daseins auf diesem Planeten.

     

    Und solange weiter nur an Symptomen herumgedoktert wird, ändert sich gar nichts, im Gegenteil. Demnächst gibt es dann minütlich Berichte über neue unsägliche Abscheulichkeiten.

     

    Ja, es geht um einen Machtkampf. Der wird nicht im Supermarkt entschieden sondern, indem die Menschen aufstehen und sich für ein für Alle menschenwürdiges Dasein "alternativlos" einsetzen und es installieren.

    Das ist zivilisiert. Was wir jetzt haben, ist unserer nicht würdig, deklassiert.

     

    Die Macht und die Kraft haben wir, trotz Gehirnwäsche derer, die uns verarschen.

     

    Und weniger Milch, Eier und Fleisch zu konsumieren, hilft dem "freien" Geist.

  • A
    Anlagenbauer

    Na das sind ja Experten vom Schlage Fluhr, die hier unbekümmert Flurschaden anrichten. Die armen Produzenten! Schon einmal versucht sich zu informieren, welche Lebensmittelkonzerne den Markt kontrollieren? Vielleicht einmal darüber nachgedacht, dass eventuell die Futtermittelbranche von ganz bestimmten Konzernen beherrscht wird? Wenn man als Zulieferer im Anlagenbereich für diese Branchen nämlich langsam mitkriegt, wie man dort ausgepresst wird und andererseits welche Gewinne diese Unternehmen einfahren, dann entstammt wohl dieses Heulen um Produzenten, die mit dem Rücken an der Wand stehen, wahrscheinlich nur verwöhnten Jungliberalen mit Beruf "Sohn", bar jeden Wissens um die Wirklichkeit.

     

    Übrigens, nicht vergessen, wer hat's erfunden? "Geiz ist geil!" Die Metro-Unternehmensgruppe und kein Hartz IV-Empfänger, aber das ist den zahllosen Markt-Goebbels ja völlig egal.

  • J
    J.U.

    Das Problem mit dem Markt ist, dass bei unzureichenden Kontrollen die Skrupellosen immer billiger produzieren können als Skrupelbehafteten und die Betrüger billiger als die Ehrlichen. Die Betrüger werden nicht erwischt und die Ehrlichen fliegen aus dem Markt, weil sie teurer sind und sich für den Verbraucher nicht erschließt, warum das teure Produkt besser für ihn ist. Entweder fliegt der Ehrliche aus dem Markt oder er betrügt selbst.

     

    Das ist ein grundlegendes Problem des Wettbewerbsprinzips. Leider weiß man, wenn man sich für eine Branche, einen Beruf oder einen Sport entscheidet noch nicht, wie hoch das Betrugspotential geschweige denn das Betrugsausmaß ist. Am Ende steht man vor der Wahl, auszusteigen oder mitzumachen. Wenn man aussteigt, steht man allerdings erneut vor dem Informationsproblem.

  • J
    Jaul

    Frage:

    Warum werden die Skandale erst nach der Niedersachsenwahl öffentlich?

  • MS
    Michael Schmidt

    Ich war zu optimistisch - wieder wird dem Verbraucher die (Mit-)Schuld in die Schuhe geschoben. Ich dachte, die Bio-Eier hätten es gezeigt: Höhere Lebensmittelpreise sind für verbrecherische Produzenten verführerisch und erhöhen nur die Gewinnspanne beim Betrug.

     

    So sehr ich für faire Lebensmittel bin: Wenn das Kilo Hack 10 € kostet, ist keineswegs garantiert, daß es gutes Hack ist.

     

    Und wer glaubt, daß das Gammelfleisch nicht mehr verzehrt wird, ist naiv.

     

    In der Tat: nur mehr Kontrollen können helfen!

  • F
    Felix

    Ich kann es nicht mehr hören, dass man nicht mehr billig einkaufen soll - sollen wir etwa verhungern? Ich arbeite im Callcenter und habe trotz 45 Wochenarbeitsstunden und Schichtarbeit kein ausreichendes Einkommen, um meine Familie zu ernähren.

     

    Wenn wir im Bioläden einkaufen würden, dann müßte ich entscheiden, welches meiner beiden Kinder etwas zu Essen bekommt und welches hungern muss, weil bei diesen Preisen nicht mehr genug Lebensmittel für alle gekauft werden können.

     

    Bereits jetzt müssen wir immer wieder Tage machen, an denen es nur Brotsuppe, Hafersuppe oder Nudeln gibt (jeweils nur mit heißem Wasser, etwas Salz, aber ohne weitere Zutaten, weil wir uns die nicht leisten können).

     

    Die wollen uns umbringen. Warren Buffet hat bereits zugegeben, dass es einen Kriegszug zwischen Arm und Reich gibt. Er gibt zu, dass die Reichen diesen Kriegszug gegen die Armen angefangen haben - und gewinnen werden.

     

    Alles folgt der Logik von Dale Carnegie, der übrigens das deutsche Institut für Rassenforschung gesponsert hat, von dem die Nazis später ihre Rassenideologie übernommen haben. Carnegie sponsorte Vorsorgeimpfungen in Entwicklungsländern, z.B. Lateinamerika - ließ aber den Medikamenten für die Reihenimpfungen heimlich Sterilisationsmedikamente hinzufügen. Carnegie sprach sich offen dafür aus, die Armut zu bekämpfen, indem man Arme sterilisiert.

     

    So offensichtlich ist es heute nicht, aber es ist klar, was das Großkapital will: Mit vergifteten Lebensmitteln die Armen töten, damit mehr Ressourcen für sie selbst bleiben.

  • Y
    Yooo

    Richtig. Und wenn der Verbraucher dann nachgedacht hat, sollte er von der Fleischtruhe zum Gemüse gehen... hilft übrigens auch gegen Klimakatastrophe.

  • TL
    Tim Leuther

    Früher war das Futter eben beim Bauer individuell verschimmelt. Und es stand in keiner Zeitung.

     

    Aber egal wie viel Auflage oder Industriekritik der Blätterwald aus dem Hochkochen der Skandale pressen will:

     

    Wir haben die sichersten Lebensmittel aller Zeiten.

  • TF
    Thomas Fluhr

    Ich befürchte, dass viele Produzenten mit dem Rücken an der Wand stehen, deren 'Gewinnmaximierung' dient dem Überleben. Die eigentliche Gewinne und der enorme Druck wird woanders gemacht. Viele Landwirte sind auch nur Präkariat, mit mehr Stunden. Vieles werden sie genau so gerne tun, wie ein Harzt-4er freiwillig zu Amazon geht. Unser System verkommt total, erst das Fressen, dann die Moral. Die Konzerne drücken von einer Seite, damit wir nicht umfallen, drückt die Politik von der anderen Seite. So wird das meiste aus dem Bürger heraus geholt. Mal schauen wann er platzt?

  • O
    Ohmann

    Hallo,

     

    ganz ehrlich. Ich mag es nicht mehr lesen! Der Verbraucher soll keinem billigen Dreck kaufen(Es ging noch nie, nur um Fleisch).

     

    Der Preiskampf wurde von den Produzenten eingeläutet, nicht vom Verbraucher. Der Verbraucher orientiert sich einfach an dem was vorhanden ist! Warum? Weil er keine Zeit hat, ständig den Markt zu prüfen, damit ihm kein Müll verkauft wird!

     

    Hört doch einfach auf damit billigen Dreck zu produzieren! Dann wirds auch keiner kaufen können!