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Kommentar Frauen in der EU-KommissionEinsatz für die Quote

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Die designierte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen will gleich viele Frauen und Männer in die Kommission berufen. Das wäre ein Novum.

Unter von der Leyens Vorgänger Jean-Claude Juncker war die Kommission fest in Männerhand Foto: dpa

D a hat sich Ursula von der Leyen ganz schön was vorgenommen: Die EU-Kommission, deren designierte Präsidentin sie ist, soll künftig quotiert sein. Es wäre ein Novum in der Geschichte der Kommission und in der Geschichte eines solchen hochrangigen Gremiums überhaupt, wenn von der Leyen am 1. November eine Führungsriege präsentiert, die je zur Hälfte aus Frauen und aus Männern besteht. In der aktuellen 28-köpfigen Kommission unter Jean-Claude Juncker sind neun Frauen vertreten.

Von der Leyens Vorhaben ist anspruchsvoll und folgerichtig zugleich. Schließlich war sie es, die seit 2011 – damals noch als Arbeitsministerin in Deutschland – verstärkt auf Geschlechtergerechtigkeit in oberen Führungspositionen gedrängt hat. Damals ging es vor allem um die Quote für Aufsichtsräte. Die CDU-Politikerin hatte erkannt, dass es mit freiwilligen Vereinbarungen in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik nicht getan ist. Für ihren Quoten-Einsatz nahm von der Leyen ihrerzeit sogar den Streit mit Kanzlerin Merkel und weiten Teilen der Union in Kauf.

Jetzt hat sie die Chance, ihrem damals bekundeten Anspruch zu hundert Prozent gerecht zu werden. Wenngleich das äußerst schwierig werden dürfte. Mehrere EU-Länder haben Männer nominiert, bislang haben nur Portugal und Rumänien wie erwünscht ein geschlechterquotiertes Kandidat*innen-Tandem ins Rennen geschickt. Aktuell sind unter den 24 Nominierten nur 11 Frauen.

Präsentiert die künftige Kommissionspräsidentin also in Kürze tatsächlich ein Gremium, das zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern besteht, liefert sie zudem den Beweis dafür, dass mehr Frauen an der Spitze nicht nur auf Geschlechtergerechtigkeit achten, sondern verstärkt auch dafür sorgen. Und nicht, wie gern behauptet, aus machttaktischen Gründen vor allem mit Männern paktieren.

Letzteres spielt darauf an, dass sich in der Vergangenheit Frauen „ganz oben“ gegenüber anderen Frauen nicht in jedem Fall fair verhalten haben: Stichwort Stutenbissigkeit. Wer den männlich dominierten Konkurrenzkampf und damit um die eigene Position fürchten muss, verlässt nicht selten die Straße der (feministischen) Solidarität. Das ist gefährlich und unklug. Denn keine Frau in einer Führungsposition kann sich darauf verlassen, dass sie von dort nicht schnell wieder weggemobbt wird – von Männern. Wenn dann noch die weibliche Unterstützung fehlt, kann sie einpacken – unabhängig davon, wie qualifiziert sie ist.

Diese (unfeministischen und unemanzipatorischen) Machtkämpfe könnte von der Leyen durch ihr quotiertes Personaltableau eindämmen. Und sie scheint das tatsächlich zu wollen. Zumindest hat sie angekündigt, so lange nach Frauen zu suchen, bis die nötige Anzahl tatsächlich gefunden ist.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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3 Kommentare

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  • Frau vdL sollte sich nocheinmal mit dem Grundgesetz auseinandersetzen, vorallem mit Art. 3. Was soll bitte gut daran sein wenn man anstatt den Besten Menschen für den Job, jemmanden auf grund einer Quote einstellen muss der möglicherweise weniger gut geeignet ist?

  • 0G
    05653 (Profil gelöscht)

    Eine Quote wäre zu befürworten, solange sie proportional die betroffenen Gruppen repräsentiert und die Mehrheit in bezugnehmenden Gruppen sich wegen einer Unterepräsentanz diskreminiert fühlt. Dann muss man den Anteil aktiver Gruppenmitglieder ins Verhältnis zur Gesamtheit nehmen und erhält eine Quote. Wieviele Frauen sind in der Politik aktiv im Verhältnis zu allen Politikern? Was bedeutet aktiv? Ein Ansatz wäre die aktive Gruppe auf Kandidaten für politische Ämter in Parteien und Staat Kandidaten für politische Ämter zu beschränken, um eine Größe für den Proporz zu erhalten. Eine Parteimitgliedschaft reicht meiner Ansicht nach nicht aus.

  • Zitat: „Die EU-Kommission, [...] soll künftig quotiert sein. Es wäre ein Novum in der Geschichte der Kommission und in der Geschichte eines solchen hochrangigen Gremiums überhaupt...“

    Nun ja. Es hat schon viele Neuerungen gegeben. Nicht alle haben was getaugt.

    Mit den Grundrechenarten allein wird Europa jedenfalls nicht zu retten sein. Von der Welt ganz zu schweigen. Mag schon sein, dass von der Leyen sucht, bis sie genügend Frauen findet. Wenn sie tatsächlich fündig wird, heißt das aber noch lange nicht, dass künftig alles eitel Sonne ist. Und wenn, dann ist das vielleicht nur der Klimawandel...

    Wenn die Frau Präsidentin der EU tatsächlich in Kürze ein Gremium präsentiert, das zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern besteht, liefert sie zunächst erst einmal nur einen Beweis: Den, dass sie 24 durch 2 dividieren kann. Dass mehr Frauen an der Spitze nicht nur auf Geschlechtergerechtigkeit achten, sondern auch gleich dafür sorgen, müssen die 12 Frauen erst noch beweisen, wenn sie gewählt wurden. Gut möglich, dass zumindest einige von ihnen aus machttaktischen Gründen lieber mit Männern paktieren. Nicht weil es Männer sind, sondern schlicht weil sie deutlich mehr Macht haben.

    Übrigens: Sollte auch in Brüssel das, was unter Männern Konkurrenzstärke heißt, im Falle von Frauen „Stutenbissigkeit“ heißen, würde das kein sehr schmeichelhaftes Licht auf die Institutionen und ihre Fähigkeit bzw. ihren Willen zur Fairness werfen. Und: Dass Frauen, die permanent um ihre Position fürchten müssen, solidarischer sein können als Männer in vergleichbarer Lage, möchte ich erst mal statistisch belegt haben, eh ich es glaube.

    Merke: Unemanzipatorische Machtkämpfe lassen sich nicht durch ein „quotiertes Personaltableau eindämmen. Höchstens durch ein kompetent und sorgsam zusammengestelltes. Wir werden ja sehen, ob von der Leyen nicht nur ein „glückliches Händchen“ hat, sondern auch die nötige Sach- und Sozialkompetenz. Wenn nicht, gibt es ja zum Glück auch noch ein paar Männer...