Kommentar Frauen im Sportjournalismus: Alte Herren im Familienglück
Selbst jüngere Männer werden auf magische Weise zu Greisen, sobald sie für ARD oder ZDF über Sport reden. Eine Frau würde dem Spiel gut tun.
Und, wann ist es bei dir und der Carolin so weit mit dem Nachwuchs?“ Die Frage, vor der junge Paare auf Familienfesten zittern, musste der olympische Silbermedaillengewinner im Kugelstoßen vor ein paar Millionen Zuschauern beantworten. Und das nur, weil David Storl, 22 Jahre jung, ins Fangnetz von ARD-Moderator Thomas Braml, 53 Jahre alt, geraten war. Dabei wollte er sich doch nur das Rennen seiner Freundin, der Kanutin Carolin Leonhardt, anschauen.
Der Olympionike wurde Opfer eines Monstrums, das schon seit Längerem sein Unwesen in der öffentlich-rechtlichen Sportberichterstattung treibt: des Altherrenjournalismus. Und das ist keine Altersfrage. Selbst jüngere Männer werden auf magische Weise zu Greisen, sobald sie für die ARD oder das ZDF über Sport reden sollen.
Und es handelt sich hierbei tatsächlich um Männer. Denn Frauen sind selten im Sportjournalismus. Nach London durften gerade mal drei ZDF-Kommentatorinnen, bei der ARD waren es zwei – eine Journalistin und eine Franziska van Almsick. Ziemlich mickrig bei einem Gesamtaufgebot von 49 Reportern. Immerhin hat sich die ARD-„Sportschau“ in diesem Jahr zu einer zweiten Frau im nun zehnköpfigen Moderatorenteam durchgerungen.
Nur zwei Prozent der deutschen Tageszeitungen werden von Chefredakteurinnen geleitet. Eine davon ist bekanntlich die taz, die eine 50-Prozent-Quote an der Spitze vorweisen kann. So liegt es nahe, dass die Zeitung, wie es schon Tradition ist, ihre Redaktion diesmal in die Hände von ProQuote legt.
Deshalb bekommt der Verein ProQuote eine ganze Ausgabe der taz geschenkt. Viele prominente JournalistInnen, KünstlerInnen und PolitikerInnen kommen in die taz und gestalten die Wochenendausgabe vom 17. November 2012.
Neben Kristina Schröder kommt in der Ausgabe Peer Steinbrück zu Wort – interviewt von Anne Will und Annette Bruhns –, eine Mitarbeiterin von Alice Schwarzer plaudert und die Ausgabe wird mit Kunst von Monica Bonvincini zum Sammlerstück. Und vieles mehr. Ab Samstag am Kiosk und im eKiosk.
Wo schon die Personalpolitik aus den siebzigern Jahren stammt, überrascht es nicht, dass die Sportberichterstattung des Ersten und Zweiten auch abseits von Olympia großväterlich familienversessen daherkommt. Da werden Babys gnadenlos vorgeführt, ob nun das Neugeborene von Kati Wilhelm oder der einjährige Sohn von Katrin Wagner-Augustin. Das Zusammenziehen von Britta Steffen mit ihrem Freund und Schwimmkollegen Paul Biedermann war der „Sportschau“ einen ganzen Beitrag wert, für den man alle Archivbilder des Händchen haltenden Paares hervorkramte. Die Schwimm-WM in Berlin, der eigentliche Anlass des Beitrags, wurde übrigens auch erwähnt.
Oder handelt es sich bei den herzigen Beiträgen um die Bemühung, der Zuschauerin, diesem unbekannten Wesen, zu gefallen? Dafür spricht der Versuch von DTM-Moderator Philipp Sohmer, sich in die Frau von Gary Paffetts einzufühlen: „Drei Kinder haben sie zusammen, drei Jungs. Da muss man gute Nerven haben, vor allem wenn der Mann dann noch Rennfahrer ist.“ Ein Kompliment an die Gattin! Wir knicksen gerührt.
Es geht auch anders, man schalte nur auf Eurosport um. Da benötigt man keine Vater-Mutter-Kind-Beiträge. Man spricht über Sport.
23, studiert an der Freien Universität Berlin und ist seit dem Alter von 14 Jahren journalistisch tätig, u. a. für die Jugendseiten der . Sie hofft, dass ProQuote etwas Bewegung in den deutschen Journalismus bringt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich