piwik no script img

Kommentar Frankreichs PolizeiDas Kalkül des starken Mannes

Dorothea Hahn
Kommentar von Dorothea Hahn

Die beiden letzten Ausschreitungen in Frankreich zeigen, dass die Polizei derselben nationalen Logik gehorcht.

Niemanden dürfte es überrascht haben, dass es während des Nato-Gipfels in Straßburg zur Randale kam. Gewaltbereitschaft einzelner und Schikanen seitens der Polizei haben ja Tradition.

Erstaunlich ist vielmehr, dass es der französischen Polizei trotz des Großeinsatzes weder gelungen ist, die Ausschreitungen zu verhindern, noch einen ungestörten Verlauf der Demonstration sicherzustellen. Paradoxerweise konnten sich die RandaliererInnen ungestört von Polizei und Feuerwehr austoben. Die legale Demonstration hingegen geriet zu einem Spießrutenlauf zwischen Polizeiaufmärschen.

Am selben Tag kam es auch am anderen Ende von Frankreich zu gewalttätigen Szenen auf der Straße. In Bastia hatten NationalistInnen zu einem Protestmarsch aufgerufen, der sich unter anderem gegen Polizeigewalt richtete.

Nun sind die beschauliche Europastadt Straßburg und das vielfach von nationalistischen Demonstrationen heimgesuchte Korsika zwei ganz unterschiedliche Pflaster. Aber die Polizei gehorcht in beiden Fällen derselben nationalen Logik. Und sie muss sich nun die Frage gefallen lassen, warum sie nicht in der Lage ist, einerseits das Demonstrationsrecht zu garantieren und andererseits gewalttätige Übergriffe zu verhindern.

Frankreich hat eine hochgerüstete, gut ausgebildete Polizei mit einer der höchsten Personaldichte von Europa. Und im Präsidentenpalast sitzt ein Mann, der noch vor wenigen Jahren als Innenminister selbst oberster Vorgesetzter der Polizei war.

Im Herbst 2005 tobten Jugendunruhen in den Vorstädten. Der Innenminister schürte mit aggressiven Worten die Angst vieler vor der Vorstadtjugend. Zwei Jahre nach seiner Wahl stehen jetzt - vor dem Hintergrund seiner sinkenden Popularität und einer tiefen sozialen und wirtschaftlichen Krise - erneut Gewaltszenen im Vordergrund. Es ist ein Problem für die Demokratie, dass kaum jemand von den Motiven der DemonstrantInnen spricht. Und eine Stärkung für einen "starken Mann" wie Sarkozy. DOROTHEA HAHN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Dorothea Hahn
Korrespondentin
Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • N
    nik

    polizeigewalt in frankreichs vorstädten ist in f.

    ein innenpolitisches reizthema, knüppelnde polizisten animierten 05 massenhaft sozial benachteiligte gruppen zu ausschreitungen.

    auch in straßbourgs banlieue gab es damals schwere

    unruhen... eine teure veranstaltung war das.

    die vorstädte sind noch lange nicht zu ruhe

    gekommmen, daher ist das vorgehen der franz. polizei nicht so einfach als "geplantes versagen" zu bezeichnen und auf das Kalkül eines "starken Mannes" namens Sarkozy runterzubrechen - auch wenn es dem Saubermann und der Pflege seiner

    Profilneurosen entgegenkommen mag. Sarkozy hatte seinerzeit die orts - und bürgernahe Polizei aufgelöst - das ist der springende Punkt, denn

    damit ist die franz. Polizei zwangsläufig

    taktisch anders als die deutsche aufgestellt, weil von der bevölkerung abgekoppelt bzw. kaum bis nicht mehr in niederen sozialen kontexten präsent. d.h. die franz. polizei ist eine geschlossene gesellschaft und als solche eher

    militärisch organisiert.

    daher sind die ausführenden als fremde in den vororten nach wie vor eindringlinge und hassfiguren, die bei einsätzen immer gefahr laufen aus dem hinterhalt angegriffen zu werden. auf diesem hintergrund ist die vermeintliche passivität der franz. polizei bei der demo erklärlich - ein massiver einsatz hätte u.U. noch mehr "schlafende hunde" geweckt, d.h. gewaltbereiten jugendlichen ein riesiges forum, möglicherweise auch in anderen städten - geschaffen.

    die taktik der franz. Seite war also auf lokale

    implosion und nicht auf prävention oder

    deeskalation gerichtet - nach dem motto: sollen sich die politchaoten und underdogs doch in ihrem Viertel ausleben - hauptsache die räumliche trennung zu den anständigen bürgern bleibt erhalten.

    das ist i.Ü. für frankreich die billigste lösung,

    schließlich kostet ein polizeieinsatz mit abstand

    mehr als die paar - vermutlich von versicherungen

    gedeckten - sachschäden zu lasten dritter.

    so zynisch sich das anhört, aber sarkozy ist

    kein starker mann - sondern ein mediengeiler

    aufsteiger - dem immer noch die clearstream - affäre und seine unumstrittenen interventionen

    und herabwürdigungen der jugend in den banlieues

    anhängt. eine repositionierung als starker mann

    in der innenpolitik könnte seinen auftritt als

    "präsident aller franzosen" beschädigen und

    seine wiederwahl gefährden.

    die drecksarbeit überlässt er seit der präsidentschaft daher lieber einem fillon

    u.a.

  • I
    immerwieder

    > Schikanen seitens der Polizei haben ja Tradition.

     

    typisch da ziehen LINKE Chaoten durch eine Stadt und die Polizei ist Schuld, die deutsch Linke sollte sich schämen....