Kommentar Frankreichs Polizei: Das Kalkül des starken Mannes
Die beiden letzten Ausschreitungen in Frankreich zeigen, dass die Polizei derselben nationalen Logik gehorcht.
Niemanden dürfte es überrascht haben, dass es während des Nato-Gipfels in Straßburg zur Randale kam. Gewaltbereitschaft einzelner und Schikanen seitens der Polizei haben ja Tradition.
Erstaunlich ist vielmehr, dass es der französischen Polizei trotz des Großeinsatzes weder gelungen ist, die Ausschreitungen zu verhindern, noch einen ungestörten Verlauf der Demonstration sicherzustellen. Paradoxerweise konnten sich die RandaliererInnen ungestört von Polizei und Feuerwehr austoben. Die legale Demonstration hingegen geriet zu einem Spießrutenlauf zwischen Polizeiaufmärschen.
Am selben Tag kam es auch am anderen Ende von Frankreich zu gewalttätigen Szenen auf der Straße. In Bastia hatten NationalistInnen zu einem Protestmarsch aufgerufen, der sich unter anderem gegen Polizeigewalt richtete.
Nun sind die beschauliche Europastadt Straßburg und das vielfach von nationalistischen Demonstrationen heimgesuchte Korsika zwei ganz unterschiedliche Pflaster. Aber die Polizei gehorcht in beiden Fällen derselben nationalen Logik. Und sie muss sich nun die Frage gefallen lassen, warum sie nicht in der Lage ist, einerseits das Demonstrationsrecht zu garantieren und andererseits gewalttätige Übergriffe zu verhindern.
Frankreich hat eine hochgerüstete, gut ausgebildete Polizei mit einer der höchsten Personaldichte von Europa. Und im Präsidentenpalast sitzt ein Mann, der noch vor wenigen Jahren als Innenminister selbst oberster Vorgesetzter der Polizei war.
Im Herbst 2005 tobten Jugendunruhen in den Vorstädten. Der Innenminister schürte mit aggressiven Worten die Angst vieler vor der Vorstadtjugend. Zwei Jahre nach seiner Wahl stehen jetzt - vor dem Hintergrund seiner sinkenden Popularität und einer tiefen sozialen und wirtschaftlichen Krise - erneut Gewaltszenen im Vordergrund. Es ist ein Problem für die Demokratie, dass kaum jemand von den Motiven der DemonstrantInnen spricht. Und eine Stärkung für einen "starken Mann" wie Sarkozy. DOROTHEA HAHN
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