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Kommentar Frankfurter FlughafenVage Versprechen

Timo Reuter
Kommentar von Timo Reuter

Von bis zu 250.000 neuen Jobs haben die Ausbaubefürworter des Frankfurter Flughafens zeitweise gesprochen. Das klingt toll, ist es aber nicht.

E s waren astronomische Zahlen: 100.000 neue Arbeitsplätze sollten durch den Ausbau des Frankfurter Flughafens entstehen. Zeitweise war sogar von 250.000 Jobs die Rede. Klingt toll, ist es aber nicht.

Letztlich waren es nicht mehr als vage Versprechen, untermauert mit zweifelhaften Berechnungen. Nachprüfbare Fakten konnten die Ausbaubefürworter während der Standortentscheidung nie liefern. Auch heute gibt es keine exakten Zahlen, wie viele Stellen wirklich geschaffen wurden.

Warum sind Lufthansa, der Flughafenbetreiber und schwarz-gelbe Politiker damit durchgekommen? Da ist zunächst das hessische Recht, das hohe Quoren für Volksbegehren vorsieht. Vor allem aber einte die Landesregierung der Wille, das Projekt unbedingt durchzusetzen.

Bild: privat
Timo Reuter

ist Autor der taz.

Obwohl es gegen die Planfeststellung zum Flughafenausbau 130.000 Einwände gab, wurden diese zwar korrekt beantwortet, aber politisch ignoriert. Dafür schreckte das Land vor Wortbruch nicht zurück. Um die Bevölkerung zu besänftigen, wurde ein Nachtflugverbot versprochen. Dieses weichte die Landesregierung später auf; es wurde erst gerichtlich wiederhergestellt.

Sichtbar angewachsen ist der Protest gegen diese Machenschaften allerdings erst, seit die Landebahn gebaut und der Lärm über bisher davon verschonten Köpfen angekommen ist. Mancher Betroffene muss sich deshalb Kurzsichtigkeit vorwerfen lassen. Denn obwohl 2003 klar war, dass die CDU ausbauen will, gewann sie auch in heute besonders stark vom Fluglärm betroffenen Gemeinden mit großem Vorsprung die Landtagswahl.

Mehr Weitsicht bewiesen die MünchnerInnen: Obwohl sie nicht die Leidtragenden des dortigen Flughafenausbaus gewesen wären, lehnten sie ihn in einem Bürgerentscheid ab. Sie haben wohl auch aus Frankfurt gelernt, dass ökonomische Heilsversprechen oft dazu dienen, ein fragwürdiges Großprojekt durchzuboxen. Das gibt Hoffnung, weil es zeigt: Es geht auch anders.

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Timo Reuter
Autor
Jahrgang 1984, ist Autor der taz in Frankfurt. Bereits seit Kindertagen spielt er gern mit Worten. Hat deshalb Philosophie studiert (und Mathematik). Nach Stationen bei Radio (Spaß) und Fernsehen (Öffentlich-Rechtlich) schreibt er ein Buch (Grundeinkommen) und berichtet seit mehreren Jahren für die taz, die Frankfurter Rundschau, Zeit Online, den Freitag, das Neue Deutschland und verschiedene Lokalzeitungen über das politische Zeitgeschehen, soziale Bewegungen, gesellschaftlichen Stillstand, Medien, Fußball und über diejenigen, die sonst keine Stimme bekommen.
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3 Kommentare

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  • F
    frank

    Ich sehe das Arbeitsplatzargument auch so skeptisch wie Herr Reuter und die Flughafenausbau-Gegner. Es würde doch betriebswirtschaftlich nicht viel Sinn machen, 250.000 Arbeitsplätze zu schaffen, wenn die Wachstumserwartungen eher moderat sind. Hiervon muss man bei einer rückläufigen demographischen Entwicklung ausgehen, selbst wenn die Globalisierung noch so omnipräsent ist. Volkswirtschaftlich, d.h. auf die gesamte Republik bezogen dürften in der Luftfahrtbranche durch die Skaleneffekte auf lange Sicht eher Arbeitsplätze wegfallen - so wie in anderen Branchen auch, wenn zentralisiert wird. Wenn die Branche den Kostendruck ignorieren würde und eine selbstlose "Arbeitsbeschaffungsmaschine" wäre, würden sich doch die Aktionäre zurückziehen.

     

    Die Menschen in der RheinMain-Region müssen wohl damit leben, auf Dauer mehr Lärm zu ertragen. Die geschaffenen Arbeitsplätze werden durch den Wegfall von Arbeitsplätzen in anderen Regionen der Branche überkompensiert. Sicher ist am Ende der Wachstumsbilanz nur der höhere Lärmpegel. Auf lange Sicht wird sich auch die Luftfahrtbranche mit Marktsättigung und Schrumpfungsstrategien befassen müssen. Man kann auch aus diesem Grund die Ausbauprojekte kritisch hinterfragen. Nicht jede Branche, die mit schrumpfenden Kapazitäten plant, muss schlecht verdienen. Die Autowirtschaft ist da im Denken weiter.

  • DE
    Dietrich Elsner

    Sehr geehrter Herr Reuter,

    Sie sagen, dass die 130.000 Einwendungen (mit der zweiten Offenlegung waren es sogar ca. 150.000) korrekt beantwortet wurden. Ich habe keine Antwort bekommen.

    In der Planfeststellung haben diese Einwendungen nur zur pauschalen Ablehnung in 2 Sätzen auf sieben Zeilen geführt.

    Das kann ich nicht als Antwort akzeptieren.

    Die Bürgerinteressen sind einfach vom Tisch gewischt worden. Ich bin sicher, dass nicht eine einzige Einwendung der Bürger wirklich gelesen wurde und die Argumente in die Abwägung eingegangen sind.

    Das ist ein Verstoß gegen das Verwaltungsverfahrensgesetz.

    Mit freundlichen Grüßen

    Dietrich elsner I

  • H
    Hugin

    Der Wortbruch durch die Volksvertreter hat System. Da gibt es gelegentlich Krokodilstränen in Form von Verständnis für die Situation der Anwohner. Das war’s aber schon. Eine Überprüfung der Prämissen, und die Arbeitsplätze waren entscheidend, für den Ausbau Mitten in einer „Metropolregion“ findet nicht statt. Selbst die Erkenntnis, dass der Ausbau falsch war, führt nicht dazu, diesen Fehler zu korrigieren. Es wäre zu teuer und der Schaden zu groß!? Dabei geht es auch anders. In Berlin wird ohne Probleme mehr als 1 Mrd. Euro aus der Staatskasse genommen, um die dortige Fehlplanung weitertreiben zu könne; aber da geht es ja um den Ausbau und die Verlärmung der Bevölkerung. In München wird nach dem Bürgerentscheid umgehend angekündigt, zu einem späteren Zeitpunkt den Ausbau wieder voran zu treiben. Wenn in Deutschland über Integrität als Grundlage für eine florierende Wirtschaft geredet wird, so gilt das scheinbar nur für den Sachbearbeiter, dem eine Armbanduhr im Gegenwert von 10 Euro angeboten wird. Borniertheit und Kumpanei entwickeln sich zum Kennzeichen deutscher Kommunal-, Landes- und Bundespolitiker. Dieser Fraport-Komplex, gezielte Meinungsmache durch PR-Agenturen in Verbindung mit willigen Volks- und Pressevertretern, ruiniert die Demokratie. Solche Prozesse aufzudecken und transparent zu machen, ist guter Journalismus. Als Frankfurter hoffe ich auf mehr!