Kommentar Föderalismusreform: Schuldenmachen bleibt erlaubt
Die Föderalismusreform scheitert genau an den Problemen, die sie eigentlich lösen wollte.
Spannend ist an der Geschichte der Föderalismusreform vor allem die lange Liste der abgelehnten Vorschläge. Da gab es mal den Vorsatz, "Wege aus der Schuldenpolitik" zu finden. Auch die komplizierten Finanzströme zwischen Bund und Ländern sollten entflochten werden. Übrig geblieben ist davon bei der neuesten Föderalismusreform kaum etwas. Das hatte sich abgezeichnet, wobei die Politiker auf einen großen Kompromiss in letzter Minute gesetzt haben. Den hat es nicht gegeben.
Letztlich konnten sich die Verhandlungspartner nicht darauf einigen, wie scharf die Schuldenbremse angezogen werden soll. CDU-Politiker forderten ein absolutes Neuverschuldungsverbot - für eine Demokratie eigentlich die einzige akzeptable Lösung: Der Haushaltsgesetzgeber, das Parlament, darf nur das Geld ausgeben, das er denen, die ihn gewählt haben, als Steuer abverlangen kann oder will. Der SPD ging das zu weit, und es war klar, dass die CDU-Länder nicht dem dafür erforderlichen Finanztransfer zustimmen würden.
Der "Entschuldungsfonds", der den finanzschwachen Ländern ermöglichen sollte, ihre Haushalte nachhaltig zu sanieren, war von Bayern und vom Bund strikt abgelehnt worden. Übrig geblieben ist eine vage Hoffnung auf geringfügige Zins-Beihilfen, die das Problem nicht lösen. Nicht einmal auf eine gemeinsame Lagebeschreibung für die Problemkinder Bremen, Saarland und Schleswig-Holstein hat man sich verständigen können.
Die Idee des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger, Überschüsse aus dem "Solidaritätsfonds" des Bundes für die Schuldentilgung der Länder zu nutzen, ist von der Bundesregierung abgelehnt worden. Der Bund wollte über eine effektivere zentrale Steuerverwaltung verhandeln - das lehnten die Länder ab.
Und so ist es wieder das alte Muster: Bund und Länder, arme und reiche Bundesländer, Ost und West, irgendwie am Rande auch SPD- und CDU-regierte Länder blockieren sich in dem bestehenden finanzpolitischen Interessengeflecht so sehr, dass sie nicht mehr kompromissfähig sind. So scheitert die Reform des föderalen Systems und damit die große Koalition an dem Problem, das sie eigentlich lösen sollte. KLAUS WOLSCHNER
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