Kieler Finanzminister über Schuldenabbau: "Schuldenberg in 50 Jahren abtragen"

Alle Länder wollen den Schuldenabbau, sagt Rainer Wiegard, Finanzminister von Schleswig-Holstein. Nur will keiner dabei verlieren.

Sieht Schleswig-Holstein durch Zinsen geknebelt: Kiels Finanzminister Wiegard. Bild: dpa

taz: Herr Wiegard, die Steuern sprudeln, trotzdem zanken sich die Föderalismusreformer um eine Schuldenbremse. Wozu braucht man das, wo allein ihr Land jährlich 150 Millionen Euro mehr einnimmt?

Rainer Wiegard: Wenn die Prognose Wirklichkeit wird: ja. Dennoch ist ein Land wie Schleswig-Holstein durch Zinsen so geknebelt, dass wir hinten und vorn nicht hochkommen.

Trotz der Mehreinnahmen?

Wenn wir von einer Tarifsteigerung um 3 Prozent im öffentlichen Dienst ausgehen, kostet uns das gleich 100 Millionen Euro. Die gestiegenen Zinsen fressen noch mal 40 bis 60 Millionen Euro auf.

Wie sieht der Abbauplan aus, den Sie den Finanzministern vorgeschlagen haben?

Die Schulden sind seit der ersten großen Koalition in den 60ern entstanden, rund 1,5 Billionen Euro bis heute. Nach meinem Plan sollten wir uns 50 Jahre vornehmen, um die wieder abzubauen - sonst überfordern wir die Leistungsfähigkeit der Länder. Wir müssen das in einem Fonds bündeln.

Warum?

Weil sonst bei der ersten Wahl wieder jemand ausbüchst.

Wer zahlt ein?

Alle, Bund und Länder - und zwar je nach Schuldenstand.

Schleswig-Holstein allein müsste also besonders viel zahlen - weil sie 22,7 Milliarden Euro Miese haben.

Nein, der Bund müsste für uns was draufgeben, sonst kommen wir nie runter von den Schulden. Wir müssen ja beides machen: An die Wurzel ran, also Altschulden abbauen. Und keine neuen Verbindlichkeiten aufbauen - das fällt schwer, weil wir derzeit rund 700 Millionen Euro mehr ausgeben, als wir einnehmen.

Wird Ihr Vorschlag von den Kollegen anderer Bundesländer angenommen?

Wahrscheinlich nicht. Das bedauere ich sehr.

Warum klappt das nicht?

Im Prinzip wollen alle mitmachen. Aber alle möchten auch, dass ihre Interessen berücksichtigt werden. Viele Länder wollen nicht von außen zu einer Konsolidierung gezwungen werden, die ihre Leistungsfähigkeit übersteigt. Und die anderen Länder wünschen Sicherungen, dass es diesmal wirklich klappt. Trotz der Finanzhilfen des Bundes für arme Länder, die es seit den 90er-Jahren gibt, sind diese Länder weiter in die roten Zahlen gerutscht.

INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER

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