Kommentar Flugrouten: Bürger, das unbekannte Wesen
Auch wenn der nun vorgelegte Vorschlag sicher nicht alle in der Region zufrieden stellen wird, sind vor allem die Bürger Gewinner des Prozesses.
G eht doch: Die Flugsicherung hat einen Routenvorschlag vorgelegt, der den Belangen der Flughafenanwohner im Süden Berlins ein ganzes Stück entgegenkommt. Möglich wurde der Entwurf nach einem Dreivierteljahr intensiver Beratungen mit potenziell betroffenen Bürgerinnen und Bürgern.
Zur Erinnerung: Das erste Konzept hatte die Flugsicherung noch im stillen Kämmerchen ausgetüftelt und den Menschen in der Region dann unter die Nase gerieben, was massive Proteste zur Folge hatte. Manche Alternative habe man gar nicht im Repertoire gehabt, bekannte das Gremium nun. Es mussten erst ganze Ortschaften zu Flugexperten werden, eigene Vorschläge ausarbeiten, Zeit, Geld und Energie investieren, um die Verwaltung vor sich her zu treiben.
Die Politik sah in dem Prozess auch nicht gut aus: Sie tat erst, als wisse sie von nichts. Und ließ sich dann vor den Karren einzelner Interessengruppen spannen. Souveränes Auftreten sieht anders aus.
Auch wenn der nun vorgelegte Vorschlag sicher nicht alle in der Region zufrieden stellen wird, stehen die Gewinner fest: die Deutsche Flugsicherung, weil sie ein neues Planverständnis erprobt und dazugelernt hat. Die Politiker, weil sie den Kompromiss nun zwar im Wahlkampf zweckentfremden werden - vielleicht aber doch die Erkenntnis gewonnen haben, dass Wähler mehr können als alle paar Jahre ein Kreuzchen machen. Vor allem aber haben die Bürger gezeigt, dass sie sich über Partikularinteressen hinwegsetzen und konstruktiv mitplanen können. Das hat Signalwirkung für künftige Großprojekte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste