Kommentar Fluglärm: Dank Leipzig ist Frankfurt jetzt überall
Der größte und wichtigste deutsche Flughafen muss mehr Rücksicht auf die Bevölkerung nehmen. Auch in der globalisierten Wirtschaft ist so etwas also möglich.
D as juristische Signal ist klar: Wenn sogar in Frankfurt/Main ein Nachtflugverbot möglich und notwendig ist, dann gilt dies für kleinere Flughäfen erst recht. Wenn sogar der größte und wichtigste deutsche Airport mehr Rücksicht auf die Bevölkerung nehmen muss, dann können Regional- und Provinzflughäfen erst recht nicht mehr mit den Zwängen der Globalisierung und der Just-in-time-Produktion argumentieren.
Selbst die Lufthansa, die in Frankfurt ihr Frachtcenter betreibt, hat sich längst mit dem Nachtflugverbot arrangiert. Sie nölt zwar noch etwas über sinkende Gewinne, ihre Hauptsorge war aber zuletzt, dass das Bundesverwaltungsgericht auch in den Nachtrandzonen von 22 bis 23 Uhr und von 5 bis 6 Uhr radikale Schnitte fordert. Darauf hat Leipzig im Wesentlichen verzichtet.
Insofern ist das aktuelle Urteil keineswegs wirtschaftsfeindlich. Es berücksichtigt aber auch die Bedürfnisse der Menschen nach etwas Ruhe, zumindest in der Nacht. So viel Kompromiss muss auch in der globalisierten Wirtschaft möglich sein.
ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.
Das Umdenken hat dabei viele Ursachen. Der Flugverkehr nimmt immer mehr zu, ein Ende ist kaum abzusehen. Auch gut situierte Bürger werden immer renitenter. Zudem macht die Lärmmedizin Fortschritte und kann die gesundheitsschädlichen Folgen von permanentem Düsenfliegerkrach zunehmend besser belegen.
Umgesetzt wurde die Wende aber – wie so oft in Deutschland – nicht von der Politik, sondern von der Justiz. 2006 beanstandete das Bundesverwaltungsgericht in Berlin-Schönefeld erstmals einen 24-Stunden-Betrieb. Seitdem ist daraus eine feste Linie geworden.
Doch nun zeigt die Justiz auch der Politik Handlungsmöglichkeiten auf. Wenn Bundesländer in ihren Landesentwicklungsplänen für bestimmte Flughäfen Nachtflugverbote vorsehen, dann ist das mehr als Symbolik, entschied nun das Bundesverwaltungsgericht. Die Länder können künftig also politisch über Nachtflugverbote entscheiden, und die Gerichte müssen dies beachten.
Auf den zögerlichen Verkehrsminister Ramsauer und eine Lösung auf Bundesebene muss nun niemand mehr warten. Damit hat auch der politische Widerstand der Fluglärmgegner künftig ein realistisches Ziel. Ein Beschluss der jeweiligen Landesregierung lässt sich von regionalen Initiativen leichter durchsetzen als ein Bundesgesetz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Katja Wolf über die Brombeer-Koalition
„Ich musste mich nicht gegen Sahra Wagenknecht durchsetzen“
Scholz zu Besuch bei Ford
Gas geben für den Wahlkampf
Türkei und Israel nach Assad-Sturz
Begehrlichkeiten von Norden und Süden