Kommentar Fleischersatzprodukte: Mimikry im Wurstregal

In der Debatte geht es nicht um den Genuss, sondern um den Absatz. Und dem wird eine Umbenennung nicht schaden.

Ein Döner steckt in einer Metallvorrichtung

Ist das ein echter Döner oder nur vegane Mimikry? Foto: dpa

Endlich wissen wir, wo der Spaß aufhört, nämlich beim „veganen Rinderfilet“. Das Schnitzel darf vegetarisch sein, die Frikadelle auch. Ćevapčići, Cordon Bleu oder Rinderfilet aber nicht mehr, wenn es nach einem Entwurf der Kommission für das Deutsche Lebensmittelbuch geht. Dort wird unter Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft definiert, was auf den Tisch kommt. Vegane oder vegetarische Produkte sollen nicht mehr gar so offensiv nach dem tierischen Produkt benannt werden dürfen, dem sie mit grotesker Mimikry nacheifern.

Tatsächlich treibt der Boom der fleischlosen Ernährung seltsame Blüten. Unternehmen wie Rügenwalder Mühle sehen die ernsthafte Bedrohung für ihre Produktpalette als Chance, der Einstieg in den vegetarischen Markt 2015 war von einer beispiellosen Marketingkampagne begleitet. Die Kundschaft wird da abgeholt, wo sie massenhaft steht. Und das ist nicht im Reformhaus, sondern an der Fleischtheke im Supermarkt.

Nun verhält sich der „Vegetarische Schinken Spicker“ zum „Schinken Spicker“ wie Analogkäse zu Käse, wie die E-Zigarette zur Kippe. Ein wenig ist das, als würde VW plötzlich Automobile anbieten, die wie Diesel tuckern und nach Diesel stinken – aber elektrisch angetrieben werden. Stören können sich daran eigentlich nur besonders kryptoprotestantische Verfechter eines Veganismus, in dem die Lust auf Fleisch endgültig in der Lust auf Tofu aufgehoben ist. Hier verbietet sich sogar der Genuss eines simulierten Lebensmittels, weil er der reinen Lehre zuwiderläuft.

Die Massen kaufen nicht im Reformhaus, ­sondern an der Fleischtheke im Supermarkt

Im Englischen gibt es die Redewendung „You can’t have the cake and eat it“. Der Fortschritt ermöglicht uns, eine Wurst zu essen, ohne eine Wurst zu essen. Kommt der Entwurf durch, wird Rügenwalder Mühle sein „vegetarisches Cordon Bleu“ umbenennen müssen. Dem Absatz wird es nicht schaden und der Wahrheit dienen, wenn es künftig als „Blaues Band des guten Gewissens“ im Kühlregal steht.

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