Kommentar Finanzmärkte: Hollande ist kein Kapitalistenschreck

Investoren wollen dasselbe wie linke Regierungen: Eurobonds und Wachstumsprogramme. Denn sie fürchten um ihre Gewinne, wenn der Euro zusammenbricht.

Die „Finanzmärkte“ wirken übermächtig. Sie scheinen vorzugeben, wie die europäischen Völker wählen dürfen. So galt als ausgemacht, dass der Euro zusammenbrechen würde, falls die radikale Linke Syriza in Griechenland gewinnen sollte.

Umgekehrt herrscht nun Erleichterung, weil die konservative Nea Dimokratia leicht vorne lag. Diese Sympathieverteilung scheint einen bösen Verdacht zu bestätigen: dass die Investoren stets die Konservativen stützen und eine neoliberale Politik forcieren.

Doch so einfach ist die Finanzwelt nicht, wie das Beispiel Frankreich zeigt. Dort wurde am Sonntag ebenfalls gewählt, und das Ergebnis müsste eigentlich jeden Investor schmerzen. Denn der neue sozialistische Präsident François Hollande besitzt nun auch noch eine sozialistische Mehrheit im Parlament.

Doch was passiert auf den Märkten? Gar nichts. Die Franzosen zahlen für eine zehnjährige Staatsanleihe nur 2,6 Prozent Zinsen. Dies ist ein Rekordtief in der französischen Geschichte. Offenbar ist Hollande kein Kapitalistenschreck – obwohl er Merkels Sparpolitik frontal attackiert und Wachstumsprogramme fordert.

Stattdessen werden Spanien und Italien von den Märkten abgestraft. Beide Länder müssen extrem hohe Zinsen zahlen, obwohl sie konservative Regierungen besitzen. Beide Länder werden von den Ratingagenturen im Wochentakt herabgestuft. Dies ist kein Zufall. Den Investoren ist nämlich auch schon aufgefallen, dass eisernes Sparen die Rezession verschärft – und damit die Aussichten sinken, dass Kredite zurückgezahlt werden. Also ziehen sich die Anleger aus diesen Ländern zurück.

Viele Politiker starren ängstlich auf die „Finanzmärkte“, dabei sind diese mindestens genauso panisch. Weltweit warten die Investoren nur darauf, dass die Eurozone endlich eine linke Strategie verfolgt. Sie warten auf Eurobonds und auf Wachstumsprogramme. Nur zu gern würden die Anleger eine höhere Verschuldung der Eurozone finanzieren, wenn dafür im Gegenzug die Konjunktur anspringt.

Diese neue Übereinstimmung zwischen Linken und Anlegern hat einen sehr profanen Grund: Die Investoren fürchten um ihre Gewinne. Einen Eurocrash wollen sie nicht riskieren. Auf genau diesen Crash steuern die Konservativen aber zu, wenn sie weiterhin auf eine reine Sparpolitik setzen.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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