Kommentar Finanzkrise: Die Furcht vor der Wut der Wähler
Solange neue Regeln für Banken nur vorsichtig diskutiert statt entschlossen umgesetzt werden, ist die Angst der großen Koalition vor der Wut der Wähler berechtigt.
Die Not muss wirklich groß sein in Berlin. Anders ist es nicht zu erklären, dass Finanzminister Peer Steinbrück als ausgewiesener Linken-Hasser gestern neben Gregor Gysi und Oskar Lafontaine Platz nahm, um für eine "nationale Aufgabe" zu werben: Die Rettung der Hypo-Real-Estate-Bank mit öffentlichen Mitteln. Offenbar fürchtet die Regierung nichts so sehr wie einen Parteienstreit unter dem Motto "Unfähige Banker kriegen Steuergeld hinterhergeworfen". Das ist verständlich - gerade mit Blick auf die USA, wo Abgeordnete aus Sorge um ihre Wiederwahl gerade das Rettungspaket stoppten.
Malte Kreutzfeldt ist Leiter des taz-Ressorts Wirtschaft und Umwelt.
Ein Zusammenbruch des Finanzsystems, meinen Kanzlerin und Finanzminister, hätte für die Allgemeinheit noch weit schlimmere Folgen als eine staatliche Bürgschaft für die klamme Bank. Dafür spricht tatsächlich vieles: Wenn die Kreisläufe des Geldes zum Erliegen kommen, bedroht das unmittelbar die Realwirtschaft - und damit auch Arbeitsplätze und Steuereinnahmen.
Die Frage der Opposition, ob die Regierung den richtigen Weg wählt, ist dennoch berechtigt. Denn offenbar will Steinbrück für die staatliche Hilfe deutlich weniger Gegenleistunger verlangen, als es etwa die USA getan haben. Zwar soll sichergestellt werden, dass auch die Aktionäre zur Kasse gebeten werden. Eine Verstaatlichung oder zumindest eine direkte Beteiligung an der gefährdeten Bank, die den Steuerzahler entschädigen und Einfluss sichern würde, lehnt die Bundesregierung aber entschieden ab. Und neue Regeln für Banken? Werden bisher nur vorsichtig diskutiert statt entschlossen umgesetzt. Solange das so bleibt, ist die Angst der großen Koalition vor der Wut der Wählerinnen und Wähler berechtigt.
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