Kommentar Finanzkrise: Merkel übt Selbstkritik in China

Kanzlerin Merkel will Amerikaner und Briten zum Einlenken zu einer internationalen Finanzaufsicht bringen. Die Chinesen sollen ihr dabei helfen.

Angela Merkel moderiert. Das kann sie gut. So hat sie sich einmal den Ruf als Klimakanzlerin verdient. Jetzt erprobt sie sich am Weltfinanzsystem. Sie gibt zu, dass sie keine Fachfrau ist. Aber sie weiß, dass es jetzt darum geht, Amerikaner und Briten zum Einlenken zu bewegen. Die beiden Länder müssen einer internationalen Finanzaufsicht zustimmen. Doch sie werden sich nur dem Zwang beugen. Also muss bis zum Weltfinanzgipfel am 15. November möglichst großer Druck erzeugt werden - und deshalb will Merkel jetzt die Chinesen für den Kampf gegen die USA gewinnen.

Die Ausgangsbedingungen waren dafür nicht günstig, denn Merkel verfügte in Peking über kein hohes Ansehen, nachdem sie im vergangenen Jahr den Dalai Lama im Kanzleramt empfangen hatte. Überhaupt hat sie sich in den vergangenen Jahren wenig um China bemüht, auch weil es konkret wenig zu verhandeln gab. Das war jetzt anders. Ohne Druck aus Peking und Tokio wird sich Washington in den Finanzgesprächen nicht bewegen. Denn die Europäer leiden selbst an der Krise. Nur China und Japan besitzen derzeit die nötigen Geldreserven, um die USA finanziell zu unterstützen - und im Gegenzug Forderungen zu stellen wie etwa die nach einer internationalen Finanzaufsicht.

Für dieses Ziel nahm Merkel in Peking einiges in Kauf: So gab sie den Chinesen zu verstehen, dass ihre Kritik am Dalai-Lama-Empfang in Berlin nicht spurlos an ihr vorbeigegangen ist. Sie präsentierte sich in der Rolle des lernenden Kindes und gestand den Chinesen ihre Empörung zu, ohne sich selbst zu rechtfertigen. Das war nicht einfach. Aber es war nötig, um mit Peking wieder ins Geschäft zu kommen. Denn an China kommt Merkel nicht vorbei, wenn sie als Moderatorin Erfolg haben will. Bisher deutet zwar nichts darauf hin, dass die KP ihre zurückhaltende Position ändern und in den Streit zwischen Europäern und Amerikanern eingreifen wird. Aber immerhin machten die Chinesen die Kanzlerin zur Hauptrednerin ihres Asien-Europa-Gipfels. Den Versuch war es also auf jeden Fall wert, auf die Chinesen zuzugehen.

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Georg Blume wurde 1963 in Hannover geboren und ist gelernter Zimmermann. Er leistete seinen Zivildienst in einem jüdischen Kinderheim sowie in einem Zentrum für Friedensforschung in Paris. Danach blieb Georg Blume in Frankreich und wurde Korrespondent der taz. 1989 wurde er Tokio-Korrespondent der taz, ab 1992 auch für die Wochenzeitung DIE ZEIT. Von 1997 bis 2009 lebte er in Peking, wo er ebenfalls als Auslandskorrespondent für die ZEIT und die taz schrieb, seit August 2009 ist er für die beiden Zeitungen Korrespondent in Neu-Delhi. Bekannt geworden ist Georg Blume vor allem durch seine Reportagen über Umweltskandale und Menschenrechtsverletzungen in China. Für dieses Engagement erhielt er 2007 den Liberty Award, mit dem im Ausland tätige Journalisten für ihre couragierten Berichterstattungen gewürdigt werden. 2012 wurde er mit dem Medienethik-Award META der Hochschule der Medien in Stuttgart ausgezeichnet. Publikationen: „Chinesische Reise“, Wagenbach, Berlin 1998. „Modell China“, Wagenbach, Berlin 2002. „China ist kein Reich des Bösen“, Körber, Hamburg 2008.

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